April 2022 | 1. – 15. April

Totales Bombardement. Massaker an ukrainischen Zivilisten. Können deutsche Panzer Putin stoppen? Porschepartei FDP: die Totalverhinderer. Afghanistan: der vergessene Krieg.

Inhaltsverzeichnis

Niemals Le Pen

Zunächst die gute Nachricht. Es ist noch einmal gut gegangen. Macron hat in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen. Aber wie gesagt, nur die erste Runde. Die Entscheidung fällt nach der finalen Stichwahl am 24. April. Dann steht fest, ob Frankreich mit Marie Le Pen total nach rechts abdriftet oder mit Macron weiter Europa-Kurs hält. Wollen wir hoffen, dass es nicht zum Albtraum-Sieg für Le Pen kommt.

Der kann nur verhindert werden, wenn zwei Faktoren zusammen treffen. Erstens: Die Mehrheit der bisherigen Nichtwähler muss überzeugt werden, zur Wahl zu gehen und für Macron zu stimmen. Zweitens: Die zerstrittene Linke muss dem Aufruf des im ersten Wahlgang knapp durchgefallenen Links-Kandidaten Melanchon folgen und keine einzige Stimme für Le Pen abgeben. Wenn nicht, dann gute Nacht Frankreich – und Europa.

Gräueltaten

Straßen mit Leichen übersät. Leichen, die Spuren von Vergewaltigungen und Folter tragen. Die Horrorbilder vom grausamen Massaker an Zivilisten in Butscha sind kaum auszuhalten. Mutmaßlich haben russische Truppen diese Gräueltaten verübt. Alles spricht dafür, dass Russland in der Ukraine massiv Kriegsverbrechen verübt. Aber der Kreml weist alle Anschuldigungen zurück und beschuldigt die Ukraine, die Lage in der Stadt Butscha inszeniert zu haben. Wie kann das sein?

Massaker als Strategie

Die Indizien, die für die Kriegsverbrechen sprechen, sind erdrückend. Vom Bundesnachrichtendienst abgehörte Funk-Kommunikation, bei der russische Soldaten die Morde an Zivilisten in Butscha besprechen. Satellitenbilder, die dokumentieren, dass sich die Leichen auf der Hauptstraße dort schon befanden, als der Ort noch vollständig unter Kontrolle der russischen Armee stand. Ukrainische Augenzeugen, die berichten, dass russische Soldaten unbewaffnete Menschen in deren Häusern oder auf offener Straße erschießen.

All dies liegt den Schluss nahe, dass es sich bei den Gräueltaten nicht um Zufallstaten handelt, sondern dass sie Teil der russischen Strategie sind. Maximale Brutalität. Der Bevölkerung Angst und Schrecken einjagen, damit jeder Widerstand im Keim erstickt wird. Unvorstellbare Verbrechen, die lückenlose Aufklärung und härteste Bestrafung verlangen.

Gerichtsfeste Beweise

Jetzt geht es darum, die Täter zu ermitteln und vor Gericht zu bringen. Munitionsfunde, forensische Spuren, Satellitenbilder, Funksprüche, Augenzeugenberichte. Alles muss analysiert werden, möglichst von unabhängigen internationalen Spezialisten. Ziel muss es sein, die Täter allesamt zur Verantwortung zu ziehen und dem Internationalen Strafgerichtshof eine möglichst akkurate und gerichtsfeste Rekonstruktion der Verbrechen vorzulegen.

Um Himmels Willen

Totale Zerbombung ukrainischer Städte und Infrastruktur, Schulen und Kliniken inklusive. Grausame Massaker an Zivilisten. Das ist Putins mörderische Strategie. Ein totaler Krieg mit der Intention, dass der Ukraine-Präsident Selenski und wir im Westen schließlich darum betteln: Um Himmels Willen, Putin, höre mit dem Morden auf! Wir unterschreiben alles, was du willst.

Darf man es soweit kommen lassen? Was ist die Alternative? Weitere Waffenlieferung durch die Natostaaten? Kämpfe um des Kämpfens Willen, von jetzt an mit schweren Waffen? Mit Panzern, Abwehrraketen, Drohnen. Eine weitere Eskalation des Krieges. Mit weiteren Tausenden von Toten und Verletzten. Immer mit dem Risiko, dass Russland die Waffen liefernden Nato-Staaten angreift und der Krieg zu einem Flächenbrand wird. Ist das der Preis?

Oder weiter auf Verhandlungen setzen, mit der vagen Aussicht auf einen Frieden nach Putins Wünschen? Mit dem Ergebnis, dass die Ukraine neben dem Donbass auch auf Gebiete im Süden der Ukraine verzichtet und unter russischer Terrorherrschaft lebt? Das kann auch keine Alternative sein. Aber was tun?

Totale Zensur

Eins ist klar: Putin will und kann nicht verlieren. Kaum zu glauben, aber wahr: Das Ansehen Putins in Russland ist seit Kriegsbeginn weiter gestiegen. Trotz der militärischen Niederlagen vor Kiew und Tausenden russischen toten Soldaten. Die weitgehende Zensur der russischen Medien sorgt für die Verdrehung der Wirklichkeit. Die tatsächliche Lage und das Ausmaß der russischen Verluste erfährt die russische Bevölkerung nicht. Die staatlich kontrollierten Medien feiern täglich die vermeintlichen Heldentaten der russischen Arme und die Zahl der zerstörten ukrainischen Panzer.

Jetzt verschärft Putin die Zensur um eine weitere Stufe. Es braucht künftig keinen gerichtlichen Beschluss, um Medien zu blockieren oder zu schließen. Eine Anordnung der Staatsanwaltschaft genügt. Damit kann jegliche kritische Äußerung umgehend bestraft werden. Zensur total. Nur eine Frage der Zeit, wann der Kreml auch noch die sozialen Internet-Medien abschaltet.

"Marder" für die Ukraine

Bei uns in den westlichen Demokratien schockieren die Schreckensbilder und die Horrorreportagen über die mutmaßlichen russischen Kriegsverbrechen. Sie rütteln auf, erzeugen Solidarität, Widerstand und Sanktionen gegen Putin. Auch das unermüdliche Flehen und Bitten des ukrainischen Präsidenten für mehr und vor allem schwere Waffen zeigt jetzt Wirkung. Jetzt will die Bundesregierung sogar eine ihre stärksten Waffen liefern, den Schützenpanzer Marder. Deutsches Kriegsgerät in ein Kriegsgebiet. Vor wenigen Wochen ein Tabu. Jetzt ist alles möglich. Putins grausamer Krieg macht es möglich. Zeitenwende total.

Kriegsbeteiligung

Jedoch, es bleiben viele Fragen. Zunächst einmal zögert Christine Lamprecht, unsere behäbige und von Mephisto Söder ungeliebte Verteidigungsministerin. Würden wir Panzer der Ukraine überlassen, können wir unsere Aufgaben im Nato-Bündnis nicht wahrnehmen, jammert sie. Was für ein heuchlerisches Argument! Wollen wir der Ukraine wirklich helfen oder geht’s doch mal wieder nur um uns?

Ich lehne Krieg grundsätzlich ab. Aber im Falle des mörderischen Putin-Angriffs habe ich meine Meinung geändert. Ich denke, die Ukraine muss in dieser Notlage jegliche militärische Unterstützung bekommen. Allerdings werden die Panzer so schnell nicht geliefert werden können. Das wäre aber nötig angesichts der zu erwartenden russischen Groß-Offensive im Donbass.

Viel wichtiger sind folgende Fragen und Probleme. Die ukrainischen Soldaten sind mit der Marder-Technik nicht vertraut. Wer zeigt ihnen, wie die Panzer funktionieren? Wie kommen die Panzer ins Kampfgebiet? Und überhaupt: deutsche Panzer und deutsche Soldaten, die ukrainische Soldaten ausbilden? Das könnte Putin als Kriegsbeteiligung werten. Mit nicht absehbaren Folgen, so unberechenbar wie der Irre im Kreml tickt.

Übertriebene Panik

Da ist es vielleicht doch besser, weiter auf scharfe Sanktionen zu setzen. Beispielsweise einen sofortigen Energieboykott beschließen. Europaweit. Das könnte Putin einen entscheidenden Stoß versetzen, weil er dann seinen mörderischen Krieg nicht weiter finanzieren kann. Die meisten europäischen Staaten sind dafür. Nur Berlin bremst beharrlich.

Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck malen einen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft an die Wand, mit unverantwortlichen Folgen für die Gesellschaft. Völlig übertrieben! Alles vorgeschobene Argumente, um unseren Wohlstand nicht zu gefährden und uns erhebliche und ungemütliche Beeinträchtigungen zuzumuten. Um keinen Preis. Das ist Unsinn! Ist etwa der soziale Frieden in Gefahr angesichts fehlenden Sonnenblumenöls und teuerer Brötchen? Mitnichten!

Geringe Kosten

Ich denke, der amerikanische Kolumnist Paul Krugman hat Recht. Er kritisiert, dass Berlin sich sehenden Auges von russischer Energie abhängig gemacht hat. Und er erinnert an Deutschlands harte Haltung gegenüber Griechenland während der Schuldenkrise. Da habe Deutschland den Griechen katastrophale Kosten wegen ihrer angeblich unverantwortlichen Politik aufgebürdet. Und jetzt sei Deutschland ungeachtet seiner unbestreitbar unverantwortlichen Energiepolitik nicht bereit, viel geringere Kosten auf sich zunehmen.

Das stimmt. Echte Hilfe für die Ukraine sieht anders aus. Auch Besuche wie der von EU-Uschi sind eher halbherzig und bekunden allenfalls Solidarität. Die Solidaritätsnummer ist ausgelutscht. Unser Zauder-Olaf brauch sich gar nicht erst auf den Weg machen. Besuche und Worte helfen nicht, es wirken nur Taten und Waffen.

Wissings Schilder-Posse

Es helfen ebenso Maßnahmen, die schnell wirken und Putin weh tun. Wenigstens ein bisschen. Ein deutsches Tempo-Limit zum Beispiel. Das ist schnell umsetzbar, spart Öl und schont nebenbei die Umwelt. Aber die deutsche Porschepartei wehrt sich dagegen wie der Teufel gegen das Weihwasser. Mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten. Den Vogel an Armseligkeit schießt FDP-Verkehrsminister Wissing ab. Weil wir zu wenig Schilder auf Lager haben, sei ein Tempolimit nicht umsetzbar! Wie absurd ist das denn?

Genauso Banane ist folgende FDP-Argumentation: Im Koalitionsvertrag stehe nichts von einem Tempolimit. Na und? Im Koalitionsvertrag findet sich auch kein Hinweis auf ein 100-Milliarden-Aufrüstungspaket für die Bundeswehr. Das kommt trotzdem. Außerdem: Geldzuschüsse fürs Heizen und Tanken drosseln nicht die fatale Abhängigkeit von Putins Gas und Öl. Im Gegenteil. Sie finanzieren und verlängern Putins Krieg.

Schokolade für Putin

Zurück zur Solidarität. Viele westliche Unternehmen, die in Russland Geschäfte machen, haben auf Putins Angriffskrieg schnell und entschieden reagiert: Produktion in Russland eingestellt. Handelsverträge gecancelt. Läden geschlossen. Vorbildlich zum Beispiel VW, Adidas. der Softwareriese SAP und der Schuhhersteller Deichmann. International stellen unter anderem Coca Cola, McDonald, Intel und Ikea die Geschäftsbeziehungen zu Russland ein.

Aber es gibt schwarze Schafe, die machen weiter, als sei nichts geschehen. Beispielsweise der Pharma- und Düngemittelhersteller Bayer, der Handelskonzern Metro sowie der Schokoladenhersteller Ritter. Immer wieder argumentieren Firmen damit, dass sie der Zivilbevölkerung wesentliche Lebensmittel, Gesundheits- und Landwirtschaftsprodukte nicht vorenthalten wollen. Scheinheilig finde ich.

In Zeiten des Mordens in der Ukraine sollten Solidarität und ethische Werte im Vordergrund stehen. Was zählen ein paar deutsche Produkte, die jetzt in Russland nicht zu haben im Vergleich zu Leid und Zerstörung in der Ukraine! Ich jedenfalls kaufe keine Ritter-Sport-Schokolade mehr.

Vergessenes Afghanistan

Bei allem Fokus auf die Ukraine haben wir Afghanistan vergessen. Ein Land, in dem Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind und für das wir Deutsche eine besondere Verantwortung haben. Mehr als ein halbes Jahr nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban sitzen noch immer Tausende ehemalige Ortskräfte in Afghanistan fest. Menschen, die unseren Soldaten und Ministerien geholfen haben und die jetzt die Rache der Taliban fürchten.

Hinzu kommt die uneingeschränkte Missachtung von Grundrechten durch die Taliban. Besonders die Rechte von Frauen sind mittlerweile stark eingeschränkt. Frühere Zusagen, Gymnasien für Mädchen zu öffnen, wurden wieder einkassiert. Frauenrechtlerinnen festgenommen. Deutschland hat 30.000 afghanischen BürgerInnen eine Aufnahme zugesagt. Bis Ende März 2022 ist jedoch davon erst die Hälfte, etwa 16.700 Menschen, nach Deutschland eingereist.

Klar, dass angesichts des Mordens in der Ukraine die Aufnahme von Frauen und Kinder von dort momentan die erste Geige spielt. Jedoch die schleppende Aufnahmepraxis von afghanischen Ortskräften nährt den Verdacht, dass auch die Ampelregierung es mit der Verantwortung für Afghanistan nicht genau nimmt.

Ränkespiele

Aus, die Maus. Die Impfpflicht kommt nicht. Politisch eine krachende, aber absehbare Niederlage für die Ampelregierung. Sie konnten sich gegen die Mehrzahl der Volksvertreter nicht durchringen. Das hat mehrere Gründe. Erstens: Die lange und Diskussion über den Sinn der Impfpflicht sowie die verkorkste Kommunikation von Seiten der Regierung. Zweitens: Die Niederlage der Ampel hat nichts mit einem Sieg der individuellen Freiheit über Vorsicht und kollektiven Schutz zu tun, sondern mit politischen Ränkespielen und Macht.

Drittens. Die Impfpflicht, auch die abgespeckte Form ab 60, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt einfach nicht vermittelbar. Die verfügbaren Impfstoffe schützen praktisch gar nicht mehr vor Infektion. Die Durchseuchung läuft durch. In der Regel mit harmlosen Verläufen. Vor allem, es droht keine Überlastung der Intensivstationen mehr. Auch die vielen Personalausfälle wegen Corona-Erkrankungen brechen der Infrastruktur offenbar nicht das Genick.

Selbst die Rekordinzidenzen machen keine Angst. Sie sinken ja auch. Und man kann nicht fast alle Corona-Maßnahmen aufheben und gleichzeitig die Impfpflicht beschließen. Das passt nicht zusammen.

Bedröppelter Kanzler

Im vergangenen Herbst auf dem Höhepunkt der Deltawelle standen die Chancen besser für eine Impfpflicht. Aber auch nicht gut. Die Freiheitsfetischisten von der FDP waren und sind strikt gegen eine Impfpflicht. Ihr hartnäckiger Widerstand hätte die Ampel schon kurz nach ihrer Bildung gesprengt.

Das wusste Scholz, aber das konnte sich der frischgebackene Kanzler nicht leisten. Eigentlich hat er Führung und Autorität versprochen. Ein Machtwort wäre drin gewesen. Stichwort: Richtlinien-Kompetenz. Das hat er aber nie gewagt, warum auch immer. Vermutlich entspricht das nicht seinem bürokratisch anmutenden Charakter. Jedenfalls hat er sich aufs Taktieren verlegt und zur Tarnung der Differenzen in der Koalition die Gewissensentscheidung für den Bundestag durchgeboxt.

Und die CDU, die eigentlich auch für die Impfpflicht ist, wittert ihre Chance  und führt den Kanzler vor. Der steht bedröppelt da. Allerdings macht die CDU in diesem Ränkespiel auch keine gute Figur. Zu durchsichtig ihr Manöver. Und das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik ist nochmals eine Stufe tiefer gesunken.

Mit dem Virus sterben

Schlimm finde ich die Aussichten auf den kommenden Herbst. Da hat vermutlich Wackel-Lauterbach mit seinen düsteren Prognosen Recht. Die nächste Mutante steht schon in den Startlöchern, so ist es zu befürchten. Und damit kommen wieder Einschränkungen, vielleicht sogar wieder Lockdowns. Was aber derzeit die meisten Sorgen macht: Es sterben mehrere hundert Menschen Tote täglich. Also täglich soviel wie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen.

Die Mehrzahl der Corona-Toten ist ungeimpft und betagt. So mancher Politker meint, wir müssen jetzt eben lernen mit dem Virus zu leben. Aber es scheint eher, dass wir lernen müssen mit dem Virus zu sterben. Daran dürfen wir uns jedoch nicht gewöhnen. Nach wie vor sind fast drei Millionen Menschen über 60 nicht geimpft. Um die zu schützen hätte mir eine Impfpflicht viel früher gewünscht. Aber für alle Erwachsenen, nicht nur für Menschen 60 plus.

Um Corona endgültig den Garaus zu machen, brauchen wir eine Herdenimmunität. Die gibt es nur, wenn alle geimpft werden. Darauf müssen jetzt alle Anstrengungen abzielen, auch ohne Impfpflicht.

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