April 2022 | 16. – 30. April

Ukraine: Deutscher Kriegseintritt durch die Hintertür. Blaues Auge für Macron: Was der Präsident jetzt tun muss. Wikileaks-Gründer Assange: Warum er freigelassen werden muss und die USA ihre Glaubwürdigkeit verwirken. Außerdem: Expressives Porträtmalen auf der Alb.

Inhaltsverzeichnis

Gepards für die Ukraine

Nun also doch. Panzer für die Ukraine. Wochenlang wurde über eine mögliche Lieferung schwerer Waffen gestritten. Zauderkanzler Scholz weigerte sich lange. Jetzt bewilligt er den Export 50 gebrauchter Flugabwehrpanzer des Typs Gepard an die Ukraine. Auch die Lieferung von Leopard und Marderpanzern ist nicht länger tabu. Erneut eine radikale Kehrtwende der deutschen Politik. Damit passiert das, was viele befürchtet haben: Deutschland greift indirekt in das Kriegsgeschehen ein.

Dritter Weltkrieg

Ob das wirklich klug ist? Ich bin mir da nicht so sicher. Und denke mit Sorgen an die Warnung von Russlands Außenminister Lawrow, der jetzt noch einmal ausdrücklich betont, dass die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen ernst sei.

Was ist wenn, Putin die deutsche Panzer-Lieferung an die Ukraine als Einmischung in den Krieg begreift? Wird er tatenlos zusehen, wie sie die Grenze überqueren oder wird er versuchen, sie vorher unschädlich zu machen? Das würde bedeuten, sie bereits auf NATO-Boden in Polen, der Slowakei oder in Rumänien zu bombardieren. Dann wäre er wirklich da, der dritte Weltkrieg.

Gewalt gegen Gewalt

Die Folgen wären undenkbar. Aber was ist der richtige Weg, um das Morden in der Ukraine zu beenden? Gewalt gegen Gewalt? Es scheint, als verstehe Putin nur diese Sprache. Eins ist sicher. Putin darf sich mit seiner Gewalt nicht durchsetzen.

Gleichzeitig bleibt aber auch richtig, dass eine Eskalation und Ausweitung des Krieges unter allen Umständen verhindert werden muss. Deswegen bin ich nicht sicher, ob die Panzer-Lieferung strategisch Sinn macht. Vielleicht wäre es besser gewesen, besonnener zu handeln und die Kritik der Zaghaftigkeit auszuhalten. Voraussetzung dafür wäre aber gewesen – und ist es immer noch – dass Olaf Scholz für mehr Klarheit sorgt.

Getriebener Kanzler

Ich würde gern mehr erfahren über Scholz‘ Überlegungen und über seine Qualen, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Etwa über die schwierigen Abwägungen zwischen den unterschiedlichen Forderungen und Positionen: einerseits zwischen der militärischen Unterstützung in Form von schweren Waffen und anderen notwendigen Hilfen für die Ukraine. Andererseits zwischen den Folgen der Fremdwahrnehmung als führungsschwacher Zauderkanzler und den massiven Forderungen aus der Ampelkoalition und der offenen Kritik der westlichen Verbündeten.

Am besten in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Hat er nicht gemacht. Macht er vielleicht auch nie. Die Chance, als abgeklärter und führungsstarker Kanzler zu gelten, ist vertan. Jetzt steht er da als Getriebener, der erst im letzten Augenblick auf den fahrenden Zug aufspringt.

Kriegstreiber-Partei

Was ich vor allem vermisse, ist Streit und Diskussion bei den Grünen. Produktiver Streit über Ideale und Grundsätze. Die Grünen sind nicht mehr wiederzuerkennen. Von der Friedenspartei zur Kriegstreiber-Partei. Früher haben sich die Grünen in endlosen Debatten bekämpft und fast selbst zerfleischt.

Man denke an den Farbbeutelwurf auf Außenminister Joschka Fischer, als der eindringlich für den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr warb. Heute kann die Grünen-Spitze die schwersten Waffen für die Ukraine fordern, selbst die grüne Basis muckt nicht auf. Sie zollt sogar Beifall, wenn der grüne Kriegsdienstverweigerer Hofreiter sich wie ein Offizier der Reserve gebärdet und kenntnisreich militärisches Gerät für die Ukraine fordert, vom Scharfschützengewehr G82 bis zum kampfwertgesteigerten PT 91 Panzer. 

Grüne Waffengläubigkeit

Wenn Zeitenwende wirklich Sinn macht, dann trifft es auf die Metamorphose der Grünen zu. Was ist aus der früheren diskussionsfreudigen Friedenspartei geworden? Ist es das Gefühl von Macht? Das Gefühl, endlich was in der Ampel durchsetzen zu können – anders als beim Tempolimit oder Kohleausstieg? Oder das berauschende Gefühl an der Spitze der Waffenbrüder zu stehen?

Was ich vermisse, ist eine anschauliche Begründung der grüne Kehrtwende von der Partei des Friedens zur Partei des Krieges. Keine Diskussion über Alternativen zur Hochrüstung. Keine Diskussion darüber, ob und wie man Konflikte ohne Waffengewalt lösen kann.

Es gibt auch keinerlei Anzeichen bei Außenministerin Baerbock, dass sie zur einst geforderten wertebasierten Außenpolitik zurückehren will, geschweige denn weiterhin an die Kraft der Diplomatie glaubt. Die undifferenzierte Waffen- und Kriegsgläubigkeit der Grünen ist schade und gefährlich.

Frankreich atmet auf

Haarscharf am Alptraum vorbei. Macron ist wiedergewählt. Mit deutlich mehr Stimmen als erwartet. Frankreich und Europa atmen auf. Aber für Macron kein Grund zu jubeln. Seinen Sieg verdankt er nicht seinen politischen Erfolgen, sondern der Tatsache, dass eine Mehrheit der Franzosen seine rechtslastige Herausforderin Marine Le Pen verhindert hat.

Obwohl Macron ob seiner Arroganz von vielen Franzosen nicht geschätzt wird, sind sie über ihren Schatten gesprungen und haben ihm ihre Stimme gegeben. Wenn auch unter Bauchschmerzen. Die Furcht vor dem rechtsradikalen Chaos war wohl doch zu groß.

Antifa funktioniert

Wie bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren hat die antifaschistische Front von links bis in die bürgerliche Mitte noch einmal funktioniert. Doch die Gefahr von rechts ist längst nicht gebannt. Im Gegenteil: 40 Prozent für Marine le Pen. Das zeigt, wie rechts viele Franzosen ticken. Umgerchnet auf die Bevölkerung sind das mehr als 20 Millionen Franzosen. Erschreckend!

Ebenso beunruhigend: Die Wahlbeteiligung sinkt weiter. Nur 63 Prozent der wahlberechtigten FranzösInnen gaben ihre Stimme ab. Zwei Prozent weniger als 2017. Das zeigt einerseits, wie wenig die Franzosen von ihrer Demokratie halten. Andererseits hängt es mit der Person Macrons sowie seiner Hauruck-Politik zusammen. Er gilt als arrogant, elitär, eigensinnig. Entscheidungen trifft er allein, abgehoben vom Parlament.

Sorgen ernst nehmen

Eine wichtige Entscheidung steht indes noch aus: die Parlamentswahlen im Juni. Dort hat Macrons liberale Partei die Mehrheit. Gut möglich, dass er doch noch abgestraft wird und die Mehrheit verliert. Um das zu verhindern, muss Macron vor allem zwei Dinge tun. Erstens mit seinen Reformprojekten zeigen, dass er die Sorgen der Menschen ernst nimmt. Hauptthema im Wahlkampf war der Kaufkraftverlust. Genauso wie wir fürchten viele Franzosen, dass sie ihren Wohlstand verlieren. Gedeckelte Benzin preise reichen da nicht.

Dann ist das noch die ausstehende Rentenreform. Allein die Ankündigung, das Rentenalter von im Schnitt 62 Jahren anzuheben, hatte vor drei Jahren erhebliche und blutige Protest ausgelöst. Da bleibt dem Präsidenten wohl nichts anders übrig, als gleichzeitig die Renten kräftig zu erhöhen. Zweitens muss er seinen autoritären Regierungsstil ändern, das Parlament bei Entscheidungen einbinden und seine Politik anschaulicher und transparenter machen.

Der Assange-Skandal

Die Auslieferung von Julien Assange an die USA rückt näher. Ein britisches Gericht hat formell die umstrittene Auslieferung in die USA genehmigt. Dort drohen dem Wikileaks-Gründer und Whistleblower unfassbare 175 Jahre Haft. Die endgültige Entscheidung über die Auslieferung obliegt der konservativen britischen Innenministerin Patel. Schlechte Karten für Assange.

Sollte London dem Auslieferungsverlangen der USA nachgeben, wäre ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Nicht nur ein Tiefschlag für die Presse und Meinungsfreiheit, sondern auch für die Glaubwürdigkeit der westlichen Staaten, allen voran für die USA.

Kein Journalist weltweit könnte sich mehr sicher fühlen. Bedroht wären alle Medienschaffenden, die Informationen über Kriegsverbrechen veröffentlichen, die die USA als schädlich ansehen oder als Spionage einstufen. Ein himmelschreiender Skandal.

Wikileaks gebührt Dank

Jetzt muss alles getan werden, damit Assange gerettet wird: öffentlicher Druck, Petitionen, Appelle, Demonstrationen, Kundgebungen. Der Wikleaks-Gründer mag für viele Menschen nicht sehr sympathisch sein. Aber er hat Verdienstvolles geleistet. Er hat die Menschheit über Kriegverbrechen informiert. Menschen, die Kriegsverbrechen aufdecken, verdienen keine Strafe, sondern Solidarität und Dank.

Besonders die Europäsiche Union sowie unsere Außenministerin Baerbock sind aufgefordert, sich für die Freilassung von Assange einzusetzen, wenn sie denn ihre eigenen Werte und Bekenntnisse ernst nehmen. So steht es schwarz auf weiß in Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta: „Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die (…) Freiheit ein, Informationen und Ideen (…) ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.“

Staatsfeind Nr. 1

Die Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks wurde international bekannt, weil sie 2010 geheime Videos aus dem Irak-Krieg veröffentlicht hat. Videos über Kriegsverbrechen, verübt von amerikanischen Soldaten. Die Videos dokumentieren, wie US-Soldaten aus einem Hubschrauber heraus gezielt Zivilisten erschießen.

Das ist nach amerikanischer Sichtweise kein Verbrechen, dagegen ist es in den USA sehr wohl ein Verbrechen, diese Taten zu veröffentlichen. Deswegen gilt der Whistleblower Assange als Staatsfeind Nummer eins in den USA, die ihn weltweit gejagt hat. Seit elf Jahren ist Assange von der Außenwelt isoliert. Erst in der Botschaft von Ecuador in London, wohin er geflüchtet war und Asyl erhalten hatte.

Verstoß gegen Menschenrechte

Mittlerweile seit drei Jahren schmort Assange im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in der Nähe Londons. Er ist psychisch krank. Trotzdem sitzt er monatelang in Isolationshaft. Das ist eine umstrittene Form von Folter, wie beispielsweise Amnesty International kritisiert.

Auch nach den UNO-Standards für Haft darf Isolationshaft nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen und in keinem Fall länger als 15 Tage. Im Fall Assange: ein klarer Verstoß gegen die Menschrechte. Es ist das Wesen der Menschrechten, dass sie für jeden Menschen gelten. Ganz gleich welche Hautfarbe, welche Nation, ganz gleich ob Gefangener, Soldat, Zivilist oder Präsident

Glaubwürdigkeit verwirkt

Die Menschenrechte spielen insbesondere angesichts des Ukrainekriegs eine entscheidende Rolle. Gerade, wenn man Putin und seine russischen Kumpane völlig zu Recht als Kriegsverbrecher bezeichnet, die vor den internationalen Strafgerichtshof gehören.

Gerade dann ist wichtig, bei den Menschrechten glaubwürdig zu sein und sie nicht anderswo mit Füßen zu treten. Die Europäische Union sowie die USA wollen die russischen Kriegsverbrechen untersuchen und bestrafen. Dasselbe muss für amerikanische Vergehen gelten. Zweierlei Maß darf es nicht geben.

Akademie Römerstein

Es hat mich schon angemacht, die Ankündigung der Akademie Römerstein: Porträtmalen expressiv. Dafür nahm ich gerne die Bahn-Anreisetortur in Kauf: 3x umsteigen, Verspätungen. Römerstein-Donnstetten liegt auf der schwäbischen Alb irgendwo zwischen Bad Urach und Laichingen. Ohne Auto kaum erreichbar, aber geologisch eine Besonderheit.

Der Ort liegt auf einem alten Vulkankrater. Entsprechend besteht der Untergrund aus wasserstauendem Vulkantuff. Im Gegensatz zur sonstigen karstigen Alb verschwindet das Regenwasser nicht sofort im Untergrund. Eigentlich ideal für die Ackerbau und Viehzucht. Mittlerweile wird Landwirtschaft nur nebenerwerblich betrieben. Donnstetten, immerhin 800 Meter hoch, setzt mittlerweile auf Gewerbe und Tourismus. Attraktionen: Bobbahn und Skilift.

Jetzt, in der Nebensaison, allerdings ein Ort, an dem sich buchstäblich Fuchs und Igel gute Nacht sagen. Ausnahme die Akademie Römerstein. Erst 2019 gegründet. Dank der agilen Leiterin Petra Nowak, die gut vernetzt ist in der deutschen Kunstszene, finden in der Akademie regelmäßig gut besuchte Workshops statt. Die Atmosphäre in der Akademie ist angenehm zugewandt und familiär. Es gibt Gratis-Kaffee, einen kostenlosen Mittagstisch.

Expressives Porträtmalen

Also diesmal expressives Porträtmalen bei Max Lochner. Der bayerische Maler kündigt eine Mal-Methode an, die er als besonders hilfreich für großflächige Porträts anpreist. Max Lochner, genannt Lomax, erfüllt schon vom Aussehen her das Klischee eines Künstlers. Lange Haare, rosige Wangen, Spitzbart. Er kleidet sich extravagant in schrillen Anzügen, besser gesagt in Kostümen mit auffällig bunten Blumenmustern.

Lomax‘ Mal-Methode: Ein Beamer wirft Fotos bzw. Computer-Dateien von Porträts an die Wand. Auf diese hängt der Künstler die zu bemalende Leinwand. Unsere Aufgabe ist es jetzt, darauf mit einem Bleistift oder Edding die Konturen des Porträts nachzuzeichnen. Eigentlich ist es nichts anderes als abpausen, nur eben großflächig. Der Meister achtet darauf, dass kein Strich daneben geht und dass alle dunklen Flächen schraffiert werden. Im Zweifel legt er selber gerne Hand an.

Nur zwei Beamer

Leider gibt es nur zwei Beamer. Mit der unschönen Folge, dass es zu langen Wartezeiten für die Mehrzahl der zehn Teilnehmer kam. Der nächste Schritt an der Staffelei: dunkle Flächen und Konturen auf der Leinwand nacharbeiten, das heißt die Dunkelheiten betonen, Konturen deutlich machen. Als Vorlage dient ein Computer-Ausdruck des Porträts. Die Feinarbeit beginnt mit den Augen.

Lomax sagt zunächst, dass die Linien nicht exakt ausgeführt werden müssen. Erst später fällt mir auf, dass der Künstler sich widerspricht. Wenn die Bilder eigentlich fertig gemalt sind, bedeutet das nicht, dass sie in den Augen des großen Meisters auch gelungen sind. Er selber schnappt sich immer wieder den Pinsel der TeilnehmerInnen und korrigiert exakt und akribisch das, was ihm nicht gefällt. Oft minutenlang.

 

Wenig pädagogisch

Ich frage mich, warum macht Lomax das und warum lassen sich das die anderen TeilnehmerInnen gefallen? Es sind doch sie, die das Bild malen. Besser wäre und pädagogischer wäre es, wenn Lomax nur Tipps gäbe, die die TeilnehmerInnen selber ausführen. Aber vielleicht ist die Ehrfurcht vor dem großen Meister zu groß, dass man dankbar den Pinsel aus der Hand gibt. Ich jedenfalls komme mit dieser Art von Lehre und den Wartezeiten nicht zurecht.

Befremdlich finde ich auch, dass die zwei Hunde des Künstlers im Kursraum frei herumlaufen. Sie veranstalten zudem ein Mordsgebell, sobald eine neue Person den Raum betritt und springen sie an, was vermutlich nicht jedem/jeder gefällt.

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