August 2021 | 1. – 15. August

Zurück aus dem Urlaub. Mit unterschiedlichen Eindrücken von Norderney: Faszinierende Nordsee. Hochspannendes Watt, imposante Dünen. Leider durchwachsenes Wetter – und viel zu viele Touristen. Laxer Umgang mit Corona in überfüllten Restaurants – falls man überhaupt einen Platz bekommt. Unzureichendes Internet. Aber nutzbringender Malkurs.

Inhaltsverzeichnis

Bahn-Frust

Ferien auf Norderney. Eine Kombi zwischen Urlaub und Malkurs. Anfahrt mit der Bahn. Gerade noch Glück gehabt. Konnte durchgehend bis nach Köln fahren. Wäre ich am Wochenende gefahren, hätte ich Pech gehabt.

Hätte von Freiburg nach Offenburg per Bus fahren müssen. Die Bahn erneuert irgendwas auf der Strecke zwischen den beiden Städten. Ausgerechnet in der Ferienzeit! Welch ein Planungsirrsinn. Umstieg in Köln.

Von hier gibt es eine Verbindung direkt nach Norddeich Mole ohne Umstieg. Super, denke ich. Doch auf der Fahrt ab Köln werde ich eines Besseren belehrt. Der Zug ist ein IC der älteren Generation. Weder Restaurant noch Buffet. Vier Stunden Fahrt. Eine Tortur.

Aber wahrscheinlich nicht so schlimm im Vergleich zu dem Frust und den Qualen, die Pendler und Urlauber jetzt beim GDL-Bahnstreik erleiden müssen.

Warten aufs Ablegen

Endlich Norddeich Mole. 40 Minuten Wartezeit, bis die Fähre nach Norderney ablegt. Die Warte-prozedur vor der Fähre erinnert an den Check in am Airport. Eine schier endlose Menschenschlange zwischen den Absperrgittern. Wir warten darauf, aufs Schiff gelassen zu werden.

Endscheidender Unterschied zum Airport: Der ist überdacht, hier an der Mole warten wir unter freiem Himmel – mehr oder weniger geduldig. Die Fähre liegt schon am Kai. Es weht ein kräftiger Wind. Zum Glück regnet es nicht. Aber was, wenn’s doch regnet? Lässt das Fährunternehmen dann die Fahrgäste im Regen stehen?, frage ich mich.

Auf der Überfahrt legt der Wind noch einen Zahn zu, peitscht mächtige Wellen auf. Aber die Fähre ist groß und gewichtig, schaukelt nicht. Trotzdem ist es nicht möglich, sich auf dem Sonnendeck aufzuhalten. Schade. Der Wind weht zu scharf.

Hotel nur für Geimpfte?

Auf Norderney geht es per Inselbus zum Hotel. Positiv registriere ich, dass die Dame an der Rezeption wissen will, ob ich geimpft, genesen oder getestet bin. Sie lässt sich den Covpass zeigen. Ein Vorgeschmack auf die Regelung, die nächste Woche in ganz Deutschland gilt. Und jetzt schon in Niedersachsen und Baden-Württemberg.

Bei der Frage allerdings, ob es sinnvoll ist, dass die Tests ab Oktober nicht mehr kostenfrei sein werden, bin ich gespalten. Es gibt eine Menge Menschen Deutschland, die an oder unter der Armutsgrenze leben und sich die Test nicht leisten können. Aber trotzdem vom öffentlichen Leben nicht ausgeschlossen werden dürfen.

Klar, Die Politik will mit dem Griff in den Geldbeutel erzwingen, dass sich mehr Menschen impfen lassen. Irgendwie klingt das nach Impfpflicht durch die Hintertür. Mehr Überzeugungsarbeit und mehr mobile und niederschwellige Impf-Angebote wären sinnvoller.

Kaum Kontrolle

Ansonsten wird es auf Norderney mit den Hygiene-Vorschriften und der Registrierungspflicht in Restaurants, Bars und Bistros nicht so genau genommen. Immerhin, die Mehrzahl der Restaurantbesucher trägt eine Maske bis zu ihrem Tisch.

Jedoch von Seiten der Gastronomie kommt äußerst selten ein Hinweis, sich per Lucca-App anzumelden. Genauso wenig werden Zettel zum Ausfüllen gereicht. Das wird wohl jetzt anders, wenn nur die 3 Gs in ein Restaurant, Kino oder Museum dürfen. Bisher fühlt man sich noch extrem sicher auf Norderney.

Dazu trägt sicherlich die Inzidenz bei. Sie liegt im Landkreis Aurich, wozu auch Norderney zählt um die 4. Die Insel selber erhebt keine Zahlen. Gleichwohl steigen auch im Norden die Inzidenz-zahlen, langsam aber stetig. Siehe Kiel und Hamburg.

Eine Restaurantbetreiberin fürchtet schon, dass sie in kürzester Zeit wieder dicht machen muss. Dabei laufe die Saison doch gerade wieder, wenn auch nur mit 50 % Auslastung.

Fußball vor dem Conservatorium

Was auf Norderney auf den ersten Blick positiv anmutet: kein, beziehungsweise kaum Autoverkehr auf der Insel. Zwar gibt’s Autos in Hülle und Fülle. Die meisten Inselbesucher und Urlauber schaffen es nicht, auf ihren fahrbaren Untersatz zu verzichten.

Die Autos müssen auf einen der vier Großparkplätze abgestellt werden. So will es die Kurverwaltung. Gut so, finde ich. Radfahren ist angesagt auf Norderney. In der Stadt gibt es quasi an jeder Ecke einen Fahrradverleih. Überwiegend für E-Bikes.

Auffallend die ausgedehnte Fußgängerzone in der Stadt. Graugelb gepflasterte oder mit Rotklinkern versehene Straßen im Zentrum. Wenig Grün. Nur an vereinzelten Straßen sind Bäume gepflanzt.

Ausnahme – der weitläufige Rasen vor dem Conservatorium. So heißt das Kurhaus, ein langgestrecktes, klassizistisch anmutendes Gebäude mit imposanten Rundbögen. Es erinnert an die glorreiche Zeit im 19. Jahrhundert, als Norderney als erstes und schönstes Seebad Deutschlands berühmt war. Könige und Kaiser verliehen damals der Insel einen blaublütigen Glanz. Heute spielen auf dem ausgedehnten Rasen Kleinkinder Fußball. Finde ich super, dass niemand daran Anstoß nimmt.

 

Enttäuschende Seepromenade

Aber Anstoß nehme ich an anderen Dingen. Etwa an der Bebauung an der Seepromenade. Norderney-Stadt hat wenig von dem verspielten Charme der Ostseebäder auf Rügen wie Binz oder Sellin.

Stattdessen reiht sich an der Seepromenade, der Kaiserstraße, ein seelenloser Appartement-Klotz an den anderen. Nur wenige angenehm anzusehende Strandvillen erinnern an die historische Seebadzeit. Diese kann man sich vergegenwärtigen in Form von eindrucksvollen Wandmalereien an der Kaimauer des Westbades.

In der Stadt selber sind wenigstens an manchen Straßen historische Stadtvillen und schnuckelige ehemalige Fischerhäuser anzutreffen. Ansonsten findet sich im Zentrum der übliche Mix an Franchise-Geschäften von Modeketten, Fresstempeln und Boutiquen sowie Schmuck- und Souvenirgeschäfte. Wie in jeder deutschen Touri-Stadt.

Keine Chance für EC-Karte

Ungewohnt und irgendwie merkwürdig ist die Art und Weise, wie in Geschäften und Restaurants mit Geld umgegangen wird. Es ist fast unmöglich, per EC- oder Visakarte zu bezahlen. Immer wieder heißt es, Gerät kaputt oder Internet funktioniere gerade nicht. Wohl oder übel muss man fast überall bar bezahlen.

Woher kommt diese ausgeprägte Liebe zum Bargeld? Ich habe zwei Vermutungen: Möglicherweise hängt die Vorliebe fürs Bargeld damit zusammen, dass sich der geringe Umsatz in Coronazeiten mit Bargeldzahlungen etwas erhöhen lässt…

Ein anderer Grund könnte das äußert schwach entwickelte Internet auf der Insel sein. Ich mache die Erfahrung, dass es an vielen Orten auf der Insel kein Netz gibt.

Strandkörbe auf dem Deich

Beim Vergleich mit den Ostseebädern fällt noch etwas auf: Während sich die Strandkörbe an der Ostsee in unmittelbarer Nähe zum Wasser ballen, ist es in Norderney-Stadt ganz anders. Hier drängen sich die Strandkörbe oben auf dem Gras bewachsenen Deich. Das ist natürlich den Gezeiten geschuldet.

Bei Ebbe gibt die Nordsee einen kilometerlangen Sandstrand frei. In Norderney-Stadt führen Eisen-Treppchen zur höher gelegenen Ebene, einer schmalen Asphaltstraße. Bei Flut sind nur die obersten Treppenstufen zu sehen.

Oberhalb der Asphaltstraße folgt der um 45 Grad ansteigende Flutschutz aus versetzten Betonpollern. Dann die eigentliche Strandpromenade, akkurat mit gelbgrauen Fliesen gepflastert. Oberhalb davon schließt sich der Gras bewachsene Deich an, auf dem die Strandkörbe stehen. Wirkt alles irgendwie uncharmant.

Zuckersand

Richtung Nordstrand wechseln die Deichschutz-Bauten. Anstelle des Grasdeichs herrscht hier eine architektonisch ansprechende Struktur aus gebranntem Backstein vor. In vereinzelten Nischen sind Bänke eingelassen. Für fußmüde Touristen oder jene, die einfach den Blick aufs Meer oder den fantastischen Sonnenuntergang genießen wollen.

Dieses atemberaubende Schauspiel lässt sich auch trefflich in den beiden angesagten Bars beobachten. In der Milchbar in der Stadt oder der Surferbar am Nordstrand. Dort am Nordstrand sowie am Weststrand kommt bei Sonnenschein und Ebbe echtes Nordsee-Feeling auf.

Breiter Strand mit Zuckersand, in dem Kinder emsig und glücklich buddeln. In den blau gestreiften Strandkörben dösende Eltern, glücklich darüber, dass sie sich mal nicht um ihre Sprösslinge kümmern müssen. Das Wasser hat knappe 19 Grad. Für fünf Minuten Erfrischung reicht’s.

Strandmassage

Wanderung zur Weißen Düne. Etwa fünf Kilometer den Strand entlang. Wieder Ebbe. Barfuß durch den feuchten Sand an der Wasserkante. Zahllose Muscheln machen das Vorankommen beschwerlich. Trotzdem ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit.

Die Sonne brennt, ein kräftiger Wind kühlt. Zur linken Seite brechen sich die nicht allzu große Wellen. Auf der rechten Seite erheben sich die mit Seegras bewachsenen Dünen.

Die weiße Düne ist ein beliebter Strand. Geboten werden fast alle Facetten: DLRG-Überwachung, Beachvolleyball, kleiner Kiosk mit Sitzgelegen-heiten, Strandmassage. Viele Menschen. Zu viele. Zum Glück sind die meisten mit dem Fahrrad gekommen. Das wird klar, als ich die vielen Hundert Räder sehe, die hinter der Düne geparkt sind.

Zuckerpfad und Napoleon

Traumhaft der Weg durch die Dünenlandschaft zurück zur Stadt – auf dem Zuckerpfad. Ein Bohlenweg, der nur Fußgängern vorbehalten ist. Gebots- und Verbotsschilder weisen bei Beginn und Ende des Zuckerpfads ausdrücklich darauf hin.

Der Name stammt aus der Zeit, als Napoleon über Europa die Kontinentsperre verhängt hat. Schmuggler nutzen diesen Pfad, um trotzdem Waren wie Zucker auf die Insel zubringen.

Radfahren ist seit 2019 auf dem Zuckerpfad verboten. Radler müssen einen anderen, ebenfalls eigenen, Weg nehmen. Gleichwohl begegnen mir auf dem Zuckerpfad mehrere Radler, die auf solche Regeln pfeifen. Gefährlich wird es, wenn einem offenbar ungeübte und Schlangenlinie fahrende E-Bike-RadlerInnen entgegen kommen. Da kann man sich nur mit einem Sprung in die eigentlich nicht zu betretende Natur retten.

Sturm auf dem Deich

Wanderung an der Wattküste. Auf dem Deich. Zu kalt für eine Wanderung im Watt. Und der Wind weht verdammt kräftig. Aber der Blick darf über den schier endlosen Wattboden wandern. Eine graunasse Fläche aus Schlick und Ton. Eine Fläche, die lebt. Zahllose kleine Rinnsale, kleine Priele, durchziehen die Rippenlandschaft.

Wer genau hinschaut, entdeckt Muscheln, Kriechtiere, Würmer. Dazwischen vereinzelte Queller, die typische Watt- und Salzwiesenpflanze. Und vor allem Unmengen an winzigen Kothaufen, Hinterlassenschaften der Wattwürmer. Unüberhörbar das Gekreisch der Möwen und anderer Vögel, die sich auf der Suche nach Nahrung zanken.

Je weiter ich Richtung Norden auf dem Deich wandere, desto stärker wird der Wind, er wird zum Sturm. Es kostet verdammt viel Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Meine Windjacke und meine Hose knattern wie wild. Ich verstaue meine Brille vorsichtshalber in der Jackentasche. Habe Angst, dass der Wind sie mir von der Nase reißt.

Ein Aquarell-Virtuose

Malkurs bei Gerd Ruhland. Ein kleiner Macho mit ungeheurem Charme. Immer ein schnelles Kompliment auf den Lippen. Kein Wunder, dass er so beliebt ist bei der Damenwelt. Ich bin der Quotenmann unter 14 Teilnehmerinnen.

Gerd ist ein wahrer Aquarell-Virtuose. Wir verfolgen staunend und nahezu ungläubig seine Aquarell-Demonstrationen. In knapp 15 Minuten zaubert er drei Aquarelle aufs Papier. Eins bezaubernder als das andere.

Aber er wäre nicht so beliebt, wenn er nicht mit Engelsgeduld jedem Kursteilnehmer mit individuellen Tipps zur Seite stünde. Die Motive unter anderem: Nordseewellen, Menschen am Strand. Gerd achtet auf jedes Detail: schäumende Gischt, dunkle Wellenberge, weicher Übergang aufs Flachwasser.

Chaos in Offenburg

Alles in allem ein gelungener Urlaub. Überwiegend akzeptables Wetter. Spannende Wanderungen. Neue Maltipps im Gepäck. Jedoch zwei Wermutstropfen: das unzureichende Insel-Internet und ein Hund im Frühstücksraum meines Hotels.

Leider kommt ein dritter auf der Rückfahrt hinzu. Totales Chaos in Offenburg beim Umsteigen in die Schienenersatzbusse. Niemand war da, um die Verteilung der Reisenden auf die Busse zu organisieren. Armutszeugnis für die Bahn.