August 2022 | 1. – 15.August
Gaskrise: Wie ernst die Lage wirklich? Gasumlage: Warum das Entlastungspaket auf sich warten lässt und die Regierung die Übergewinnsteuer scheut. Atomkraft: Warum Habeck nicht einknicken darf. Und: Warum die Tötung des Al-Kaida-Chefs Mord ist. Außerdem: Malreise nach Frankreich.
Inhaltsverzeichnis
Angstmache
Explodierende Preise. Gas, Strom, Lebensmittel. Beklemmende Aussichten: kalte Wohnungen im Winter, Rezession, Tausende Firmen-Pleiten, Arbeitslosigkeit, soziale Unruhen. Verheerende Folgen der Energiekrise. Politik, Wirtschaft und Medien malen sie derzeit mit markigen Worten an die Wand.
Angstmache oder drohende Realität? Ich vermute eher Angstmache. Denn in den Gasspeichern, die uns über den Winter helfen sollen, sieht es mittlerweile gar nicht so schlecht aus. Noch im Frühjahr waren sie nur bis zu einem Drittel gefüllt. Jetzt sind es immerhin 70 Prozent. Da fehlt nicht mehr viel zu den angestrebten 90 Prozent. Das dürfte wohl zu schaffen sein, wenn alle an einem Strang ziehen.
Hohle Worte
Was macht die Politik, um das Unheil zu verhindern bzw. das drohende Leid zu lindern? Mir fallen drei Dinge auf: Unentbehrliche Spar-Appelle an die Bevölkerung, zweifelhafte Subventionen an die Industrie und ein unsinniger Streit um längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Und dann sind da noch großsprecherische Ankündigungen, die Bürger nicht allein zu lassen. „You never walk alone“, schwurbelt Zauderkanzler Olaf Scholz. Hohle Worte – bis jetzt .
Gasumlage
Wo bleibt das dringend benötigte zweite Entlastungspaket für Haushalte und Gewebetreibende mit geringem Einkommen? Statt zu entlasten, knallt die Ampelkoalition noch eine Gasumlage für uns Verbraucherinnen und Verbraucher oben drauf. Die kommt am 1. Oktober.
Begründung: Kompensation für die Gasgroßhändler, die weggefallene russische Gaslieferungen jetzt bei anderen Lieferanten zu horrenden Preisen einkaufen müssen. Diese staatliche Maßnahme ist reiner Staatskapitalismus. Eigentlich müsste man sich wundern, dass die Marktfetischisten vom der FDP dabei mitmachen. Aber damit der Rubel, äh – der Euro, rollt und die Gasversorger nicht in Schieflage geraten, scheint jedes Mittel recht.
Dabei sind jetzt schon die Belastungen der Energiekrise spürbar. Die ersten Wohnungsunternehmen verlangen exorbitante Abschläge für die kommende Heizperiode. Es hagelt Proteste. Tausende Menschen, die nicht wissen, ob sie im Winter noch heizen können, beklagen und beschweren sich bei den kommunalen Stadtwerken und Mietervereinen. Jede zweite der 55 Millionen Wohnungen in Deutschland heizt mit Gas.
1200 Euro Mehrkosten
Wie hoch die Preissteigerungen für die Gasumlage ausfallen ist entsprechend des Ampel-Chaos noch unklar. Olaf Scholz, wie immer beschwichtigend, spricht von zwei Cent pro Kilowattstunde.
Mutiger und wohl näher an der Realität ist Habeck, der fünf Cent pro Kilowattsunde prognostiziert. Folge für eine Alleinlebende oder einen Alleinlebenden: rund 300 Euro Mehrkosten pro Jahr. Zwei Zusammenlebende müssten etwa 700 Euro draufzahlen. Schmerzhaft wird es für eine vierköpfige Familie. Sie müsste 1200 Euro Mehrkosten berappen.
Gaspreis deckeln!
Klar ist aber auch, dass der Staat nicht alle entlasten, nicht alle Härten abfedern kann. Aber genauer hinschauen sollte er schon. Das Prinzip Gießkanne wie beim Heizkostenzuschuss und Tankrabatt darf nicht schon wieder kommen. Gerade Menschen, die nur ein geringes oder sogar sehr geringes Einkommen haben, müssen bevorzugt entlastet werden.
Geeignete Mittel für wirksame und nachhaltige Entlastungen wären: Direktzahlungen an alle Haushalte mit weniger als 40.000 Euro Jahreseinkommen. Wohngeldvund Kindergeld sowie andere Sozialleistungen erhöhen. Eine weitere spürbare Entlastung: Gaspreis deckeln, wie es die Franzosen machen. All das muss schnell beschlossen werden.
CDU gegen Bürgergeld
Eine weitere Entlastung könnte das geplante und lang erwartete Bürgergeld darstellen. Allerdings machen die mageren 50 Euro Erhöhung den Kohl auch nicht fett. 500 Euro für eine Alleinlebende oder einen Alleinlebenden reichen hinten und vorne nicht. Wenn dann noch die explodieren Strom-und Gaskosten hinzukommen, bedeutet das Armut pur und Dauerverzicht.
Nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes müsste eine Grundsicherung derzeit mindestens 678 Euro betragen. Gut gebrüllt, aber wohl kaum durchsetzbar. Noch ist es noch nicht mal sicher, ob es überhaupt zu der mageren 50-Euro-Erhöhung kommt. FDP Sparminister Linder will nicht „so viel“ Geld ausgeben.
Und die CDU, die sich christlichdemokratisch nennt, will das Gesetz bei der schlussendlichen Abstimmung im Bundesrat gar ganz kippen. So also sieht Nächstenliebe bei der Partei aus, die das Wort sich christlich-demokratisch im Namen trägt.
Glas braucht Gas
Natürlich jammert auch die Industrie wegen der Energiekrise. Glaswerke und Chemiefabriken, Stahlwerke und die Papierbranche benötigen Unmengen an Gas, um extrem hohe Temperaturen und den Dampf für ihre Prozesse zu erzeugen.
Glashersteller zum Beispiel fürchten nicht nur horrende Beschaffungskosten und drastische Produktionsrückgange. Wenn sie zu wenig Gas bekommen, drohen in Glaswerken Tonnen geschmolzenen Glases zu erstarren. Gefährliche Folge: Glaswannen könnten brechen und Brände verursachen.
Auch hier wird wohl der Staat großzügig eingreifen, so wie beim Gasversorger Uniper, den die Regierung mit Milliarden vor der Pleite schützt. Ausgerechnet Uniper, ein Unternehmen, das jahrelange Geschäfte mit Russland und mit fossiler Energie machte, wird jetzt mit Steuergeldern belohnt. Fatal!
Übergewinnsteuer rapido!
Noch irrsinniger ist der Appell der Politik, den Gürtel enger zu schnellen und Energie zu sparen, während die Energiekonzerne satte Gewinne einfahren. Gerade hat RWE seine Gewinnprognose korrigiert. Der Konzern freut sich über einen zusätzlich 1,5 Milliarden-Überschuss aus dem Energie- und Gashandel.
Shell hat seine Gewinne in der Zeit des Ukraine-Krieges gar verfünffacht. Skandal! Da muss dringend eine Übergewinnsteuer her, wie sie in Belgien, Italien und Spanien an der Tagesordnung ist. Frommer Wunsch – nicht in Deutschland, wo die Kapitalistenpartei FDP mitregiert.
Selbst „Bild“ dafür
Der zarte Versuch des Kartellamts, bei den Konzernen den Geldüberfluss anzuzapfen, der nicht zuletzt dank des unsinnigen Tankrabatts mächtig war, ist kläglich gescheitert. Warum eigentlich? Mit entsprechendem politischen Mumm wäre mehr drin gewesen.
„Unternehmen, die übermäßig vom Krieg profitieren, sollten eine Übergewinnsteuer zahlen, damit die gerettet und entlastet werden können, denen es schlechter geht“, findet sogar das ultrakonservative Springerblatt „Bild am Sonntag“
Also ran die Übergewinnsteuer, mit der ein großer Teil der Entlastungen finanziert werden kann. Lasst den Lindner ruhig murren. Das Volk wird es danken.
Chamäleon Habeck
Vermessen und idiotisch finde ich die Diskussion um den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Gar nicht gut ist die Rolle, die die Grünen dabei spielen, allen voran unserer tapferer Energieminister Habeck. Wenn er tatsächlich einknickt und das Ok zur Verlängerung der Laufzeiten gibt, schlachtet er die letzte heilige Kuh der Grünen.
Damit würde die Partei den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit verlieren. Trotz der derzeitigen Beliebtheit von Baerbock und Habeck. Schon schlimm genug, dass die einst pazifistische Partei ohne Murren der Waffenlieferung an die Ukraine und der Milliarden-Aufrüstung der Bundeswehr zugestimmt haben. Angesichts von Putins Vernichtungskrieg wohl eher notwendig. Jedoch grundlegende Prinzipien wie den Anti-Atomkraft-Kurs jetzt einfach über Bord zu werfen. Das ist für mich zuviel unkritscher Pragmatismus.
Das erinnert mich an das Verhalten eines Chamäleon, das je nach Gefahrensituation die Farbe wechselt. Ich vermisse handfeste Diskussion statt emotional-philosophischer Vorträge eines Robert Habecks, der mit zerknautschtem Gesicht seine Bauchschmerzen angesichts der Atomdebatte offenlegt.
Energiesparplan fehlt
Knapp sechs Prozent Strom liefern derzeit die drei verbliebenen AKWs. Wenn die Atommeiler ausfallen, wie im Ausstiegsgesetz vereinbart, müssen sechs Prozent des Strombedarfs in Deutschland ersetzt werden. Das ist machbar – mit rigorosem Energiesparen.
Spanien macht es vor, wie das geht. Die Regierung in Madrid hat jetzt Maßnahmen zur Einsparung und zur effizienteren Nutzung von Energie beschlossen. Unter anderem dürfen öffentlichen Gebäude, Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen ihre Räumlichkeiten auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen. Darüber hinaus wird die Beleuchtung von nicht benutzen Büros, von Schaufenstern und Denkmälern nach 22 Uhr ausgeschaltet.
Alles sinnvolle und effektive Maßnahmen. Aber unsere Regierung denkt noch nicht mal über einen Energiesparplan nach, appelliert allenfalls an die Bevölkerung, Energie zu sparen. Welch Tatenlosigkeit, welch Ignoranz!
Bremser Söder
Stattdessen leisten sich FDP und Grüne einen Streit um die weitere Nutzung von Atomkraftwerken. Nicht nur das. Auch CDU-Oppositionsführer und Vielflieger Merz kämpft für den Ausstieg aus Atomkraft-Ausstieg.
Den Vogel schießt indes mal wieder der Mephisto aus Bayern ab. Ministerpräsident Markus Söder lässt sich nicht nur ein Gefälligkeits-Gutachten zum Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar II backen.
Jetzt fordert er auch noch, dass in Niedersachsen das hochgiftige Fracking-Verfahren beginnen soll. Ignorant und typisch für den aalglatten Söder, der stets als Bremser denn Förderer der Energiewende auffällt. Windkraftanlagen, Stromtrassen haben Seltenheitswert in Bayern.
Konzerne gegen Weiterbetrieb
Ähnlich ignorant, wenn auch aus anderen Gründen zeigt sich die FDP. Weil sie sich nicht traut, ihre Schickimicki- und Unternehmerklientel zum Sparen zu animieren, wählt sie den einfachsten Weg: Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Die Debatte um die Verlängerung der Atomkraft ist einzig politisch motiviert und vergeudet Zeit und Kraft.
Es geht darum, so schnell wie möglich die erneuerbaren Energien und die Infrastruktur für sie auszubauen. Wie unsinnig das Ansinnen der Atomkraftbefürworter ist, zeigt vor allem, dass selbst die deutsche Energiewirtschaft die Verlängerung der Atomkraft für nicht machbar hält.
„Es können nicht einfach von irgendwoher die benötigten Brennstäbe für die AKW eingekauft werden. Die müssten genau zum Reaktortyp passen“, sagt zum Beispiel der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber. Er hält die Atomtechnologie für rückwärtsgewandt und fordert stattdessen angesichts drohender Versorgungsengpässe den Fokus aufs Gassparen zu legen.
Sicherheitsrisiko
Auch der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, lehnt verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke ab. Zahlreiche Fragen nach der periodischen Sicherheitsüberprüfung der noch laufenden Meiler sind ungelöst“, sagt er Das treffe ebenso auf die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu. In beiden Fällen seien die gesamtgesellschaftlichen Kosten zu hoch. Recht haben sie beide. Es wird Zeit, dass Söder, Lindner und Merz das endlich einsehen.
Chaos programmiert
Es ist mal wieder nichts Halbes und nicht Ganzes, das geplante Infektionsschutzgesetz: Maskenpflicht ab Oktober in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie im Fernverkehr und in Flugzeugen. Wenn sich die Corona Lage wieder verschärft, sind es dann die Länder, die über strengere Maßnahmen entscheiden sollen.
Viele Fragen bleiben offen. Was ist mit dem Nah- und Regionalverkehr? Und vor allem, was heißt verschärfte Lage? Grenzwerte, Parameter – diese wichtigen Kriterien festzulegen, davor haben sich Lauerbach und Buschmann gedrückt, beziehungsweise sind sich nicht einig geworden. Folge: Alles Interpretationssache. Chaos programmiert. Mal wieder unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Ländern.
Verwirrend und unlogisch
Noch eine geplante Regelung ist nicht ausgereift: Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen sollen nur die bekommen, die frisch geimpft, genesen oder tagesaktuell getestet sind. Der Haken an der Sache: Frisch geimpft bedeutet offenbar drei Monate. Wessen Impfung also länger her ist, benötigt zum 1. Oktober einen vierten Stich.
Dabei empfehlen EU und das Robert Koch Institut eine vierte Impfung erst für Menschen ab 60. Viel verwirrender und unlogischer kann ein Gesetzentwurf nicht sein. Da ist jetzt schon abzusehen, dass es mit der Akzeptanz der Maßnahmen schwierig wird. Lauerbach und Buschmann: Nachsitzen und besser machen!
Verantwortungslos
Die Menschen haben doch jetzt schon keine Angst mehr vor Corona. Für die breite Masse sind andere Themen wichtiger wie teure Mieten und explodierende Lebensmittelpreise. Und: Die Maskenpflicht im Bus oder Zug wird kaum noch ernst genommen.
Infizierte gehen inzwischen arbeiten, als wären sie gesund. Corona kommt allenfalls Bedeutung zu, wenn durch die Erkrankung ein Urlaub ins Wasser fällt. Gefährliche Haltungen und Verhaltensweisen. Besonders für vulnerable und ältere Menschen.
Noch immer sind knapp zwei Millionen Menschen in Deutschland überhaupt nicht geschützt, weil sich nicht geimpft sind. 1,3 Millionen über 60 sind lediglich grundimmunisiert und daher stark gefährdet, schwer an Corona zu erkranken.
Wenn die Menschen es mit der Eigenverantwortung eher lax nehmen, ist es jedoch dringend notwenig, sich verantwortungsvoll gegenüber Älteren verhalten!
Das war Mord
Der Tod des Al Kaida-Terrorchefs durch eine amerikanische Drohne. Ganz Amerika und der Westen feiern die Tötung Al-Sawahiris. Mal wieder zeigt die USA, dass ihr Recht und Gesetz scheißegal sind und dass sie machen können, was sie wollen.
Egal, welcher Verbrechen der Al Kaida-Chef möglicherweise schuldig ist: Nach dem Anspruch westlicher Demokratien hätte er Anspruch auf ein geordnetes Gerichtsverfahren. Dass die USA das ablehnen, sondern stattdessen lieber liquidieren, zeigt, dass sie sich auf die gleiche menschenverachtende Stufe begeben wie die Mörder von Al Kaida.
Die Tötung Al-Sawahiri ist nicht nur ein Verstoß gegen Menschen- und Völkerrechte, sondern staatlich sanktionierter Mord. Darin sind sich Völkerrechtler und Theologen wie Berhard Koch, Hamburg, und Christoph Safferling, Erlangen, einig.
Hässlich und widersprüchlich
Nur in einem bewaffneten Konflikt zwischen zwei Staaten könnten bestimmte Personen ihren schützenden Status als Zivilisten verlieren und zu zulässigen militärischen Zielen werden. Aber diese Voraussetzung liegt nicht vor.
Al Kaida ist kein Staat. Die Terror-Organistation und die USA befinden sich aktuell nicht im Krieg. Nein-Eleven 2001, der Angriff auf das World Trade Center, ist 21 Jahre her. Erkenntnisse über geplante Attacken Al Kaidas gegen die Vereinigten Staaten sind nicht bekannt.
Der Drohnen-Mord am Al Kaidachef zeigt einmal mehr die hässliche und widersprüchliche Seite Amerika. Mit wehenden Fahnen, markigen Worten und militärischen Druck für liberale und demokratische Werte eintreten. Aber auf der anderen Seite systematisch und regelmäßig Völkerrechte und Menschenrechte mit Füßen treten.
Nicht glaubwürdig
Pikant in diesem Zusammenhang: dass die USA massiv die Menschenrechtsverletzungen Russlands im Ukraine-Krieg anprangert. Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit? Putin wird sich ins Fäustchen lachen. Darüberhinaus könnte sich der Mord an Al-Sawahiri buchstäblich als Schuss ins Knie erweisen. Die verstreuten AlKaida- Organisation könnte seine Tötung zum Anlass nehmen, Rache zu üben und erneute Attacken gegen Amerika fahren. Die Gefahr: Terror ohne Ende
Malreise nach Semur
Schon wieder Pech mit der Bahn. Diesmal bei der Anreise zum Zielort Semur-en-Auxois, ein kleiner Ort im Burgund. Plan und Buchung waren eigentlich ideal: nur drei Stunden Fahrt mit der Bahn. Start in Freiburg mit der Regionalbahn. In Müllheim Umsteigen in den blauen Schienenbus nach Mulhouse. Von dort eineinhalb Stunden mit dem TGV Richtung Paris nach Montbard. Dort direkter Busanschluss nach Semur. Das war der Plan.
Der Stress beginnt in Müllheim: Der Zug nach Mulhouse fällt aus. Keine Benachrichtigung auf dem DB Navigator. Verzweifelter Anruf bei der Bahn. Warteschleife. Nach 25 Minuten gebe ich auf, suche selber auf dem Internet nach alternativen Verbindungen.
Weiter geht’s nur über Basel. Von dort TGV über Mulhouse nach Dijon. Klappt alles. Der nette TGV-Schaffner hat einen Platz für mich. In Dijon weiter mit dem TER-Regionalzug nach Montbard. Natürlich ist der anvisierte Bus weg. Eine Stunde Wartezeit auf den nächsten.
Nie wieder B&B
Mit zwei Stunden Verspätung bin ich endlich am Ziel. In Semur-en-Auxois habe ich eine B&B-Wohnung. Leider. Will eigentlich die Organisation nicht unterstützen. Die Hotels waren ausgebucht oder zu teuer. Mein 1,5 Zimmer-Appartement liegt im Zentrum. Ein umgebauter Dachboden. Enge, steile Treppe, schräge Wände, freigelegte Dachbalken, kippbare Veluxfenster.
Verdammt heiß hier oben. Das fensterlose Bad müffelt. Ein Kleiderschrank fehlt. Immerhin, die Küche ist ordentlich eingerichtet. Die Vermieterin hat im Erdgeschoss einen Kleiderladen. Sie verhält sich sehr reserviert. Die Kommunikation beschränkt sich auf karge Begrüßung. Daran sieht man, wie sehr sich die ursprüngliche B&B-Idee kommerzialisiert hat.
Imposante Festung
Semur-en-Auxois ist ein schnuckeliges Städtchen, das sich seinen mittelalterlichen Charakter bewahrt hat. Hoch über einer Schleife des Flusses Armancon, auf einem Fels aus rosa Granit, thront die gewaltige Festung mit ihren vier Wehrtürmen. Es gibt weitere gute erhaltene Türme sowie Reste der Stadtmauer, die vom wehrhaften Charakter Semurs im Mittelalter zeugen.
Enge Gassen. Uralte Häuser, einige sind verlassen. Andere im Begriff, renoviert zu werden. Auffallend im Stadtkern das holprige Kopfsteinpflaster, was aber die Franzosen nicht daran hindert, mit einem Affenzahn drüber zu rasen. Leider nur eine kleine Fußgängerzone mit netten Cafes und Restaurants.
Rendezvous im Garten
Malkursleiter Patrick Fouilhoux ist äußerst kommunikativ, spricht neben Französisch, Schwedisch, Deutsch, Englisch und Italienisch. Ein Vorteil für die internationale Zusammensetzung der Kursteilnehmer. Am ersten Abend gleich ein Rendezvous zum gegenseitigen Kennenlernen im Garten seines Ateliers. Das liegt in der Aue auf der anderen Seite des Flusses.
Zu erreichen, in dem man von der Altstadt eine gewundene Treppe mit etwa 300 Stufen hinabsteigt und dann den Fluss über die sehenswürdige alte Brücke, Pont de Pinard, überquert. Jeder Teilnehmer bringt etwas zum Trinken oder Essen mit. Mein Beitrag: Deutsches Bier. Kommt super an. Ist leider warm infolge der langen Zugfahrt, aber nach einer halben Stunde im Eisfach wieder trinkbar.
Schwieriges Grün
In den sechs Kurstagen bearbeiten wir die unterschiedlichsten Malmotive. Zum Beispiel die wunderbare Aussicht auf die Stadt Auxois de Semur vom gegenüber liegenden Hang aus. Oder die lieblichen Felder in der sanft geschwungenen burgundischen Hügel-Landschaft. Ein einfaches Motiv auf den ersten Blick. Aber es kommt darauf, mit einem großangelegten Vordergrund Tiefe und Weite der Landschaft zu erzeugen.
Zu Beginn gibt Patrick stets eine kurze Maldemonstration, mal in Öl mal in Aquarell. Mir gefällt sein Stil. Locker, modern und expressiv. Der Künstler erweist sich als vielseitiger Lehrer, dem es gelingt, auf die unterschiedlichen Könnensniveaus der Teilnehmer einzugehen. Auch mir gibt er wertvolle Tipps: zum Beispiel die Schattenstellen stärker herauszuarbeiten oder die Farbe grün naturnaher und ausdrucksstärker zu mischen. Insgesamt ein lehrreicher Kurs und eine sympathische Maltruppe.