Januar 2023 | 1. – 15. Januar

Blinde Zerstörungswut, hemmungslose Pyrotechnik-Angriffe auf Polizei und Feuerwehr: Woher kommt der Zorn der jungen Männer? Lauterbachs Krankenhausreform: Top oder Flop? Außerdem: meine Fortschritte in der Reha.

Inhaltsverzeichnis

Wer sind die Täter?

Der Pulverdampf der Silvesternacht hat sich verzogen. Aber die Diskussionen über die Ursache der Zerstörungswut und der hemmungslosen Angriffe auf Polizisten und Rettungskräfte gehen mit unvermittelter Hitzigkeit weiter.

Zentrale Fragen: Woher kommt die Gewalt? Wer sind die Täter? Und vor allem, was läuft bei uns falsch, dass sich solche Taten in großer Zahl Bahn brechen? Jedoch Berlin als alleinige Hochburg der Krawallmacher? Falsch!

Flaschenwürfe und Pyrotechnik-Angriffe auf Rettungskräfte gab’s nicht nur in der Hauptstadt. Sondern ebenso in vielen deutschen Großstädten wie Köln, Duisburg und Stuttgart.

Raketen auf Holzhaus

Selbst in so beschaulichen Städten wie Freiburg, Lörrach und Kehl wüteten Randalierer und Chaoten. Besonders perfide: Unbekannte schießen Feuerwerksraketen auf den Balkon eines Hochhauses im Freiburger Stadtteil Weingarten.

Offenbar gezielt, weil es komplett aus Holz gebaut ist. Katzenstreu gerät bei dem Angriff in Brand, der Balkon brennt komplett ab. Wer hat den gewissenlosen Tätern nur ins Hirn geschissen?

Trugschluss

Auch wenn Söder & Co. es gerne so hätten: Deutschland hat kein Migrationsproblem. Die Krawalle der Silvesternacht in Berlin sind nicht mit ethnischen oder religiösen Motiven zu erklären. Zwar haben zwei Drittel der Täter einen Migrationshintergrund. Ein Drittel besitzt einen deutschen Pass.

Trotzdem ist es verkehrt, alle in einen Topf zu werfen. Und zu behaupten, alle seien kriminelle Migranten, die hart bestraft, bzw. abgeschoben werden müssen. Dass Migranten qua Herkunft zur Gewalt und Kriminalität neigen, ist ein gefährlicher Trugschluss.

Zum Beweis der Lagebericht des Innenministeriums aus dem Jahr 2021. Der verzeichnet 90.000 Übergriffe auf Polizeibeamte. Von den bekannten Tätern waren 84 Prozent männlich und 70 Prozent Deutsche!

Wut auf den Staat

Wenn die Berliner Krawallmacher eines eint, ist es die Wut von Jugendlichen und jungen Männern, die ihrem Zorn auf den Staat und die Gesellschaft freien Lauf lassen. Menschen, die nicht mehr das Gefühl haben, dass unsere Gesellschaft auch die ihre ist. Die nicht in die Gesamtgesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert sind.

Das trifft auf alle benachteiligten und abgehängten Jugendlichen und jungen Männer in Deutschland zu, egal, ob sie hier oder in einem anderen Land geboren wurden.

Ausgrenzung überall

Der Psychologe Ahmed Mansour hat die Krawallnacht in Berlin miterlebt und analysiert die Ursachen so:„Da kommen viele Faktoren zusammen. Insbesondere die Erfahrung, benachteiligt und ausgegrenzt zu sein in nahezu allen Lebenslagen – in der Schule, im Beruf, bzw. bei den Behörden und in der Gesellschaft. Hinzu kommt das Gewalterlebnis von patriarchalischen Strukturen in vielen Familien. Viele stellen durch Gewalt ihre Männlichkeit zur Schau.“

All das führe dazu, dass diese ausgegrenzte Gruppe den Rechtsstaat nicht akzeptiert und dieses Land verachtet.

Hochgradig kriminell

Was ich besonders schlimm finde, ist der irrationale Ausbruch hinterhältiger Gewalt: Einen Bus anzuzünden, damit die Feuerwehr angelockt wird, um sie dann anzugreifen. Das ist hochgradig kriminell und kaum damit zu erklären, dass die Täter in ihrem kollektiven Wutausbruch den Respekt vor Menschen verloren haben.

Diese kriminellen Ausschreitungen erfordern strenge Bestrafung. Jedoch von wegen Migrationsproblem: Folgende Tatsache zeigt, dass der Migrationshintergrund bei den Taten überhaupt keine Rolle spielt. Denn erstens arbeitet unter den Rettungskräften selber eine Vielzahl von Menschen mit einem Migrationshintergrund. Die werden somit selber zu Opfern der Gewalt.

Ausgerechnet in der Gegend, wo der Bus brannte, haben 90 Bewohner eine Migrationsgeschichte. Nicht auszudenken, welche Angst diese Bewohner hatten angesichts der gewalttätigen Ausschreitungen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.

Konsequenz fehlt

Offensichtlich sind sich die Gewalttäter nicht über die Auswirkung und das Ausmaß ihrer Handlungen bewusst. Der Psychologe Mansour bestätigt, dass viele dieser jungen Männer das Gefühl vereint, dass sie keine Konsequenzen zu befürchten haben, wenn sie Straftaten begehen.

Not tut jetzt ein Bündel von Maßnahmen: Auf der einen Seite eine sachlich differenzierte Untersuchung der Geschehnisse, konsequente Verfolgung der Straftäter und eine ebenso konsequente Anwendung der Strafgesetze, die bereits existieren. Seit 2017 können Angriffe auf Polizisten, Staatsanwälte und andere Sicherheitskräfte mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden.

Geringer Lerneffekt

Allerdings mahlen die Mühlen des Justizsystems immer noch zu langsam. Es dauert Monate, bis ein Straftäter vor den Kadi kommt. Und falls es doch zu Gefängnisstrafen kommt, sind manche junge Männer stolz darauf einzufahren. Oft brüsten sie sich darüber in ihrer Gruppe und bekommen Beifall aus ihrem direkten Umfeld.

„Der Lerneffekt im Knast ist gering“, weiß Songül Cetinkaya, Sozialarbeiterin in Berlin-Neukölln, „ich habe ganz viele Jungendliche erlebt, die im Gefängnis noch krimineller geworden sind. Wenn sie rauskommen, sind sie Profis, weil sie im Knast ganz viel lernen.“

Mehr Geld für Prävention!

Deshalb kann für Songül Cetinkaya Haft und Haftandrohung nur ein Mittel unter vielen sein. Wichtiger noch sind Prävention, Sozial- und Elternarbeit in den sozialen Brennpunkten. Da muss der Staat viel mehr investieren, um zu vermeiden dass die Gruppe der abgehängten Jugendlichen und jungen Männer ohne Perspektive noch weiter wächst und deren Wut auf den Staat noch größer wird.

Es kann nicht sein, 200 Milliarden für die Bundeswehr auszugeben, aber am Schicksal von Jugendlichen und jungen Männern in sozialen Brennpunkten zu sparen.

Unnütze Böllerei

Übrigens: mir ist die ganze Böllerei zu Silvester zuwider. Ohrenbetäubende Kracher mit Überbietungswettbewerb. Wer knallt am dollsten? Dazu der immer gleiche Raketenzauber. Wer produziert den schönsten Lichtglanz? 130 Millionen Euro, die unnütz verbrannt werden.

Hunderte Tonnen Müll. Hunderte Tonnen Feinstaub, die Luft und Umwelt verpesten. Tiere, die vor Angst und Schrecken winseln. Und viel schlimmer: Gerade in diesen Tagen muss die Silvester-Böllerei Tausenden von Ukrainern, die bei uns in Deutschland Zuflucht finden, den Magen umdrehen.

Panzer statt Böller

Wie muss es sich für sie anfühlen, diese Lichtblitze diese Explosionen, dieses verrückte Knallen und Zischen? Eine widersinnige Erinnerung an die Tod- und Leidbringenden russischen Bomben in ihrer Heimat. 130 Millionen Euro. Wie viele Panzer könnte man dafür kaufen, um sie der Ukraine zu Verfügung zu stellen?

Das wäre sinnvolle Unterstützung für die Ukraine. Ein willkommener Beitrag, der den Ukrainern helfen könnte, die mörderischen russischen Streitkräfte aus ihrem Land zu vertreiben.

Kliniken vor dem Kollaps

Teuer, marode, ineffizient: Deutschlands Kliniken sind in einem desolaten Zustand. Jedes fünfte Krankenhaus von den etwa 1900 Krankenhäusern in Deutschland steht vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Es krankt an allen Ecken und Kanten: Personalmangel, Überstunden, Zeitdruck – sowohl bei Ärzten und Ärztinnen sowie bei Pflegern und Pflegerinnen.

Wegen Arbeitsüberlastung und schlechter Bezahlung haben Pflegekräfte reihenweise gekündigt. 200.000 Pflegekräfte fehlen mittlerweile. Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln wird diese Horrorzahl in den nächsten Jahren auf eine halbe Million anwachsen.

Lauterbachs Klinikreform

Bei der Ärzteschaft sieht es nicht minder schlimm aus. Ein Drittel aller Ärzte und Ärztinnen bewertet die Arbeitsbedingungen in den Kliniken als schlecht oder sehr schlecht. Und jeder fünfte denkt darüber nach, den Beruf zu wechseln. Höchste Zeit, dass sich etwas ändert.

Höchste Zeit für eine grundlegende Reform. Diese will jetzt Karl Lauterbach anpacken. Kaum ist Corona vom Tisch, packt der übereifrige Gesundheitsminister, der schneller redet als er denkt, diese Mammutaufgabe an.

Fallpauschale

Hauptschuld an der bisherigen Misere trägt das bisherige Vergütungssystem für Krankenhäuser, bei dem alle Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen abgerechnet werden. Eingeführt 2004 nach dem Vorbild der USA. Treibende Kraft bei der Einführung war übrigens Karl Lauterbach, damals Staatssekretär.

Heute, fast 30 Jahre später, sieht er ein, dass das Fallpauschalen-System Schrott ist und will es mit einer groß angelegten Krankenhausreform beseitigen. Großmäulig verspricht Lauterbach, dass nicht der Profit, sondern das Wohl von Patienten und Patienten zum Leitsatz der Kliniken werden wird.

Ein frommer Wunsch, der möglicherweise erst nach fünf Jahren Wirklichkeit wird. Solange dauert die Umstellung des gesamten Krankenhaussystems. Falls es überhaupt gelingt und nicht zu viele Hindernisse, etwa uneinsichtige Länder und hartnäckige Landräte den Weg verbauen.

Profit vor Patientenwohl

Die Praxis der Fallpauschalen führt zu einer Ökonomisierung der Krankenhäuser auf Kosten von Ärzten und Ärztinnen, Pflege und Patienten und Patientinnen. Auf der einen Seite zwingen die Fallpauschalen die Kliniken  zur Kosteneinsparung. Nicht nur beim Personal.

Anderes Beispiel: die kurze Verweildauer. Möglichst schnell raus aus dem Krankenhaus nach der OP, heißt die Devise. Blutige Entlassungen in Kauf genommen. Denn mit jedem zusätzlichen Tag, den ein Patient oder eine Patientin im Krankenhaus verbringt, rentiert sich ein Fall weniger.

Auf der anderen Seite Konzentration auf lukrative Behandlungen. Es lohnen sich nur gut vergütete Spezialbehandlungen wie Hüft- oder Knieprothesen oder kardiologische Eingriffe. Die sind zum großen Teil gar nicht notwendig, bringen aber Geld.

Kinder sind die Verlierer

In Deutschland werden 20 Prozent mehr Eingriffe ausgeführt als in anderen Ländern Europas. Jedoch geht es deutschen Patienten und Patientinnen damit nicht besser, und sie leben auch nicht länge als anderswo in Europa. Und trotzdem gehen viele Kliniken finanziell am Stock. Verkehrte Welt, aber selbst eingebrockt!

Die Folgen: Kliniksterben oder Aufgabe von weniger lukrativen Leistungen wie Geburtshilfen oder gar Schließung von ganzen Abteilungen. Leidtragende sind ausgerechnet die Schwächsten und Kleinsten. In Bayern machten jüngst mehrere Kliniken Teile ihrer Kinderstationen dicht.

So schloss das Klinikum Rechts der Isar in München seine Abteilung für Kinder- und Jugendpsychosomatik wegen der „ungünstigen Kosten-Erlös-Struktur.“ Will heißen, die Behandlung eines Kindes ist zeitaufwendiger als die eines älteren Menschen. Welch ein Irrsinn!

Neue Versorgungsstufen

Lauterbachs Reformpläne sehen eine neue Einteilung von Krankenhäusern vor. Sie sollen künftig nach drei Versorgungstufen, bzw. Levels, eingeordnet und entsprechend gefördert werden. Die Grundversorgung und gängige chirurgische Eingriffe wie etwa Blinddarmoperationen sollen künftig Level-1-Kliniken leisten.

Kliniken der zweiten Stufe sollen die Regel- und Schwerpunktversorgung übernehmen. Für die Maximalversorgung wie Krebsbehandlung oder Ecmo-Therapien (künstliche Beatmung) sind dann große Kliniken wie Unikliniken zuständig. Die verfügen über ein breites Spektrum an Fachabteilungen und die erforderlichen Spezialisten. Das wäre Level 3.

Bayern schießt quer

Für seine ehrgeizigen Reformpläne braucht Karl Lauterbach indes die Zustimmung der Länder. Das wird schwierig, es ist aber auch klug gedacht, von vorneherein die Länder mit einzubeziehen. Die Absicht: Vermeidung von Chaos und Flickenteppich wie bei Corona.

Aber jetzt schon zeigt sich, dass es Querulanten unter den Ländern gibt. Bayern und Nordrhein-Westfahlen schießen quer und wollen einer solch grundlegenden Reform nicht zustimmen.

Bayerns Gesundheitsminister Holotschek wittert gar mit grimmiger Miene Planwirtschaft und Dirigismus:„Es kann nicht riskiert werden, dass durch zentralistische Planung von heute auf morgen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen zerstört werden.“

Querulant Holotschek

Der bayrische Gesundheitsminister schürt damit die Ängste von vielen Bewohnern und Bewohnerinnen im ländlichen Raum Bayerns, die um ihre emotionale Bindung an die vielen kleinen Landkliniken in Bayern fürchten. Bisher war es so, dass jedes Bundesland für sich allein entscheidet, welche Art von Krankenhaus entsteht oder auch geschlossen wird.

Daran vor allem will der sture Bayer nicht rütteln. Wenn Holotschek nicht einlenkt, dann war es das mit der großen Krankenhausreform. Aber noch ist nichts entschieden. Es gibt noch viel Verhandlungsarbeit für Lauterbach. Ganz zu schweigen davon, dass sein Intim- „Freund“ Lindner bei der Finanzierung auch noch ein Wörtchen mitsprechen will.

Fortschitte in der Reha

Frohe Kunde aus meiner Reha: Es geht tatsächlich voran. Will heißen, von Tag zu Tag gehen die Schmerzen in der Hüfte zurück, und ich kann immer besser laufen. Ausnahme das frühmorgendliche Aufstehen, das mir immer noch Probleme bereitet. Aber sichtbares Zeichen für den Fortschrittt: Ich bin beim Gehen nicht mehr auf den Rollator angewiesen und benutze jetzt Nordic-Walking-Stöcke.

Einen Kilometer schaffe ich bereits, ohne Pause einzulegen. Ganz ohne Hilfsmittel kann ich ebenfalls laufen, das mache ich allerdings nur in der Wohnung. Dabei schwanke ich leider immer noch wie ein betrunkener Seemann, um bei dem treffenden Bild zu bleiben.

Dank an die Therapeuten

Die Fortschritte verdanke ich dem intensiven Training an den Geräten sowie der effektiven Krankengymnastik. Die Physiotherapeuten und-Therapeutinen leisten vortreffliche Arbeit. Selbst der Oberarzt zeigt sich begeistert über meine Fortschritte. „Im Vergleich zu Beginn der Reha eine veritable Steigerung.“

Damals, Anfang Dezember, war der Doktor noch skeptisch, ob ich die Reha überhaupt schaffe wegen meiner massiven Schmerzen. Weiter machen, heißt jetzt die Devise. In einem ausführlichen Arztbrief an die Krankenkasse belobigt der Arzt meine Fortschritte und empfiehlt eine Verlängerung der Reha. Mit Erfolg. Man höre und staune: Innerhalb von vier Tagen hat die Debeka die Verlängerung um zwei Wochen genehmigt.

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