Januar 2023 | 16. – 31. Januar
Lützerath: Blamage für die Bundesregierung. Warum wir alle Klimaterroristen sind. Warum Flüssiggas-Terminals die falschen Dampfer sind und Habeck keine Eier hat. Außerdem: Wie Behörden bei Windkraft- und Solaranlagen bremsen.
Inhaltsverzeichnis
Lützerath
Die Schlacht um Lützerath ist geschlagen. Das Dorf geräumt und abgerissen. Die RWE-Bagger reißen mit riesigen Schaufeln bereits Kohle aus dem Untergrund. Was bleibt, sind dramatische Bilder, die um die Welt gingen: Tausende Demonstranten an der matschigen Abbruchkante, prügelnde Polizisten, zwei unverdrossene Klimaaktivisten in einem Tunnel vier Meter unter der Erde.
Und ein grüner Klimaminister Habeck, der mit immer neuen Sprach-Volten um Erklärungen bemüht ist. Lützerath sei nur ein Symbol der Klimabewegung und zwar ein falsches, schwurbelt der sonst so argumentsichere grüne Philosoph und Minister. Welch ein Blödsinn!
Symbol
Wenn 280 Millionen Tonnen Braunkohle unter Lützerath verbrannt werden, ist das kein falsches Symbol, sondern ein Skandal. Eine unzumutbare weitere Belastung des Klimabudgets Deutschland, mit der nie und nimmer die Pariser Klimaschutzziele eingehalten werden können.
Und Lützerath ist trotzdem ein Symbol – und zwar kein falsches: Es ist ein richtiges Symbol für den Kampf um Klimaschutz. Es zeigt die Widersinnigkeit einer Politik, die zu lange auf fossile Energie gesetzt hat und den Kampf dagegen.
TV-Talkshows
Es geht dabei um zweierlei: Erstens um den letzten verzweifelten Versuch, das Abbaggern und die Nutzung von klimaschädlicher Braunkohle zu verhindern. Und das, obwohl klar ist, dass das Dorf Lützerath nicht zu retten ist.
Zweitens, weil das so ist, wollten und wollen die KlimaaktivistInnen möglichst lange und so viel Widerstand leisten, so dass die ganze Welt auf ihren Kampf für das Klima aufmerksam wird. Das ist trefflich gelungen, wie die Bilder, die um die ganze Welt gingen, gezeigt haben. Das ist als großer Erfolg für die Klimabewegung zu werten.
Ebenso ist es ein Erfolg, wenn KlimaaktivistInnen zur besten Sendezeit in deutschen TV-Talkshows grünen und anderen Politikern und Politikerinnen erklären, warum sie beim Klimaschutz versagen.
Blamage
Darüber hinaus hat sich die deutsche Regierung vor der ganzen Welt blamiert. Die Bilder und die Berichte über Lützerath erzeugen international den Eindruck, dass der deutschen Regierung die Durchsetzung von Rechten und Profiten eines Kohlekonzerns wichtiger ist als der Klimaschutz.
Hinzu kommt das erzkonservative und rückwärtsgewandte Geblöke von Politkern der CDU, FDP und Teilen der SPD. Sie bezeichnen den Protest und die Aktionen der Klimabewegung als total unangemessen und überzogen. Manche bezeichnen die KlimaktivistInnen gar als Klimaterroristen.
Diese Kriminalisierung ist total demagogisch und brandgefährlich. Die KlimaktivistInnen verbreiten mitnichten Chaos und Angst, sondern haben Angst und berechtigte Sorgen um die Lebensgrundlagen der Menschheit.
Klimaterroristen
Es geht um ihre Zukunft und darum, dass die Politik mehr tun muss für den Klimaschutz, was das Bundesverfassungsgericht in dem historischen Urteil vom April 2021 untermauert hat. Die Welt ist momentan auf dem direkten Weg zu einer globalen Erwärmung, die mehr als doppelt so hoch ist als die in Paris vereinbarte Grenze.
Also kann man mit Fug und Recht sagen, dass es der Klimawandel ist, der uns terrorisiert. Und wir in den Industrieländern sind diejenigen, die den Klimawandel vorantreiben: mit unserem Konsum, unserem Energieverbrauch, mit unserer Ernährung und unserer Mobilität. Wir alle sind die wahren Klimaterroristen!
Habecks Eier
Das Recht und der Rechtstaat im Verein mit den Profitinteressen von RWE haben gesiegt. Für mich ist das ein Pyrrhus-Sieg. Es bleibt die Frage: War es das wert? Mit Krokodilstränen sagt die Grünenvorsitzende Ricarda Lang: „ja“ und verweist auf den sogenannte Braunkohle-Kompromiss: Vorgezogener Kohleausstieg 2030. Fünf Dörfer gerettet.
Fakt ist, der Kohlekompromiss gilt nur für Nordrhein-Westfahlen. RWE kann bis dahin so viel Braunkohle baggern und klimaschädlich verbrennen, wie es will. Und der heiße Tanz um die riesigen Braunkohlegebiete im Osten steht noch bevor. Mal sehen, ob Habeck dort die Eier hat, einen ebenso frühen Kohleausstieg durchzuboxen.
Kampf um Berlin
Jetzt steht eine weitere politische Hürde an: Der Kampf um Berlin. Nach der wegen Behördenschlamperei verkorksten Wahl im September 2021 müssen die Berliner und Berlinerinnen nochmals zur Wahlurne. Dabei geht bei den Grünen das große Zittern um.
Verpassen die jungen Grünen und klimaaktivistInnen der Grünen Partei einen Denkzettel wegen Lützerath? Aus den Träumen der grünen Spitzenkandidatin Jarasch, Regierende Bürgermeisterin von Berlin zu werden, wird dann wohl nix.
Flüssiggas
Dieser Winter ist viel zu warm. Die Gasspeicher sind voll. Deutschlands Haushalte und die Industrie haben insgesamt 12 Prozent mehr Gas eingespart als im vergangenen Jahr verbraucht wurde.
Alles zusammen bewirkt, dass die gefürchtete Energiekrise ausbleibt. Trotzdem setzt unsere Regierung weiter auf fossiles Gas. In Windeseile wird ein LNG-Terminal (Flüssiggasterminal) nach dem anderen gebaut.
Inzwischen sind es drei, die innerhalb eines halben Jahres errichtet worden sind. In „Deutschlandgeschwindigkeit“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sich selber lobt. Elf Terminals insgesamt sollen an Deutschlandsküsten entstehen.
Überkapazität
Moment Mal, Gas? Gilt doch als fossil und umweltschädlich wie Kohle und Öl? Nur als Zwischenlösung, um die Versorgungssicherheit herzustellen und später möglicherweise für die Herstellung von grünen Wasserstoff, beschwichtigt das grüne Wirtschaftsministerium.
Aber die deutsche Gaswirtschaft frohlockt schon, sieht sie doch eine gewaltige Gas-Infrastrukur für Deutschland entstehen. Und das für Jahrzehnte. Eine gigantische Überkapazität, die wahrscheinlich niemand braucht.
Im Ergebnis würde damit mehr Gas in Deutschland landen als bisher aus Russland importiert worden war. Der Hammer: Deutschland wäre auf Jahre abhängig von Gas – einem fossilen Energieträger, den wir eigentlich ersetzen wollen.
Falscher Dampfer
Da haben Habeck und Scholz total auf den falschen Dampfer gesetzt. So wird es nichts mit dem ambitionierten Klimaschutz-Ziel der Ampelregierung. Die hat versprochen, dass 80 Prozent des benötigten Stroms bis 2030 aus erneuerbaren Energiequellen kommen soll.
Die sagenhafte und schnelle Unterstützung, die jetzt die Flüssiggas-Terminals erhalten, wären eher in den Ausbau und die Nutzung von erneuerbaren Energiequellen angebracht. In Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen, sowie in Wasserkraft und Geothermie.
Windkraft-Blockade
Bislang dauert es sage und schreibe im Schnitt sieben Jahre, bis ein Windrad steht. Schuld daran sind vor allem die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Es müssen eine Vielzahl von Gutachten erstellt werden, zum Beispiel Untersuchungen zu Licht- und Lärmemissionen, die bei den Emissionsschutzbehörden der Landkreise zur Genehmigung eingereicht werden müssen.
Darüber hinaus müssen weitere Behörden wie die Naturschutzbehörde, die Planungsbehörde sowie der Gemeinderat beteiligt werden. Das alles dauert. Und wenn dann noch die juristische Gegenwehr von starrköpfigen Anwohnern und uneinsichtigen Umweltvereinen hinzukommt, dauert es noch länger, bis der erste Spatenstich für ein Windrad getan werden kann.
Alles von vorne
Ein weiterer unsinniger behördlicher Pferdefuss kommt hinzu: Die Genehmigung gilt nur für einen bestimmten Windradtyp. Das wird jetzt einem Windparkbetreiber in der Nähe von Waldenburg im Hohenlohekreis zum Problem. Seine fünf Windräder wurden im vergangenen Jahr zwar genehmigt. Aber jetzt sind die geplanten Anlagen nicht mehr lieferbar.
Also will der Windparkbetreiber auf einen anderen Windrad-Typ umsteigen. Das geht nicht. Der Windparkbetreiber muss damit rechnen, dass das ganze Genehmigungsverfahren von vorne losgeht. Inklusive Stellungnahmen der betroffenen Gemeinden. Na, denn gute Nacht!
Bodendenkmäler?
Noch absurder ist es, wenn Behörden geplanten Windrädern Steine in den Weg legen – noch vor dem eigentlichen Beginn des Genehmigungsverfahrens. So geschehen im nordhessischen Breuna.
Dort verlangt die Denkmalbehörde vom Windkraftbetreiber eine Untersuchung, dass seine Windräder sogenannte Bodendenkmäler nicht beeinträchtigen. Bodendenkmäler? Das ist nichts anderes als etwa Tonscherben oder Erdlöcher, die auf frühere Bergwerke hinweisen. Ein Schelm, der da an Schikane denkt!
Wenn wenigstens Gutachten über den Rotmilan gewünscht wären. Das wäre nachvollziehbar. Aber eben eine solche Expertise obendrauf fordert jetzt das Naturschutzamt vom Breunaer Windkraftbetreiber. Begründung: „Alle Anforderungen beruhen auf fachwissenschaftlichen Erwägungen.“ Welch ein Irrsinn!
Solarzellen auf Baggersee
Irrsinnig auch, dass Robert Habeck offensichtlich persönlich die größte schwimmende Photovoltaik-Anlage Deutschlands verhindert. Auf einem riesigen Baggersee beim badischen Durmersheim will ein Kieswerkbetreiber 30 Prozent der Seefläche mit schwimmenden Solarzellen bedecken. Das ist der Plan. Ein guter Plan und eine sinnvolle zusätzliche Nutzung eines Baggersees.
Zu überdimensional, urteilt das Bundeswirtschaftsministerium. Die gewässerökologischen Auswirkungen solcher Anlagen seien noch weitestgehend unbekannt. Solange die Forschungsergebnisse des Bundesumweltministeriums über solche Großprojekte nicht vorliegen, würden derartige Bauvorhaben verboten, so Habecks Ministerium. Schade eigentlich. Mal wieder keine Eier!
Lichtblick
Aber immerhin 15 Prozent der Seefläche sind genehmigt und dürfen jetzt mit sogenannten Floating PV-Zellen bedeckt werden. Die Anlage soll kommenden Jahr gebaut werden und 12 Megawatt Strom produzieren. Mehr als die 12000 Einwohner Durmersheims benötigen. Immerhin ein kleiner Lichtblick.