Mai 2021 | 1. – 15. Mai
Endlich, die Impfkampagne nimmt Fahrt auf. Die Inzidenzen sinken. Ich bin auch einmal geimpft. Wie immun bin ich nun? Welche Freiheit bekomme ich zurück, wenn ich zweimal geimpft bin? Warum gibt es so viele Neider und Impfdrängler? Schwierige Fragen, komplexe Antworten. Und: Was bringt das neue Klimaschutzgesetz?
Inhaltsverzeichnis
Sicher oder nicht?
Ende April habe ich den ersten Anticorona-Pieks erhalten. Irgendwie ein zwiespältiges Gefühl. Erleichterung, ja, gleich im Anschluss und in der ersten Woche schon.
Aber jetzt frage ich mich, was bin ich denn nun? Halbsicher, 2/3-immun? Ein merkwürdiges Gefühl. Die zweite Impfung ist noch zwei Wochen entfernt. Ein Gefühl wie auf einer Zwischenstation bei einer Bergtour.
Der Gipfel ist zwar zu sehen, aber noch weit Und der Weg dorthin immer steiler. Und dann, was ist da wohl am Ziel? Totale Freiheit, Fernsicht, Glück? Nein, nicht alles. Eher von allem ein bisschen. Zumindest erwarten mich keine Kontaktbeschränkungen und Ausgangsbeschränkungen mehr.
Das gilt laut Gesetz seit dem 8. Mai für alle Zweimal- Geimpften sowie für Coronagenesene. Bekomme ich dann im Juni meine Grundrechte zurück? Grundrechte, das klingt so erhaben und juristisch bürokratisch. Irgendwie fühle ich das nicht.
Beispiel: die Ausgangsbeschränkungen, die Posterboy Lindner und Konsorten so impertinent beim Bundesverfassungsgericht (BVG) einklagen. Die haben mich bisher nicht gestört. Ist doch eh alles zu.
Ausgangssperre wirkt
Und Ausgangsbeschränkungen sind wohl in der jetzigen Phase voll ok, wie das BVG in einer Eilentscheidung verkündet hat.
Vorläufig zwar, denn das BVG will die Ausgangsbeschränkungen und andere Maßnahme auf ihre Verhältnismäßigkeit noch grundsätzlich überprüfen.
Soll es doch. Fakt ist doch, dass die Ausgangsbeschränkungen wohl doch wirken, auf jeden Fall im Gleichschritt mit dem anziehenden Impftempo. Die Inzidenz ist dank der Maßnahmen und der Impfkampagne auf dem Sinkflug.
Von 180 bis knapp unter 100 bundesweit. In Hamburg dank strenger Ausgangssperre auf 70! Nur Sachsen, Thüringen und wir in Baden-Württemberg liegen noch über etwas unter 150.
In Baden-Württemberg dürfen wir uns dafür bei den Querdenkern bedanken. Die höheren Zahlen sind Auswirkungen der Stuttgarter Massendemo ohne Masken und Abstand.
Corona als Motiv?
Ich überlege mir schon lange, ein Corona-Bild zu malen. Aber irgendwie ist mir das Thema zu traurig. Eher steht mir der Sinn, das zu malen, was fehlt: Freiheit, Sonne Strand, Urlaub.
So habe ich in Aquarell einsame, aber wunderschöne Ostsee-Strände gemalt. Sinnbildlich für den Frust und die Sehnsucht von denen, die gebeutelt sind vom Lockdown wie Gastronomen, Hoteliers, KellnerInnen, GeschäftsinhaberInnen, Soloselbständige, Niedriglohn-EmpfängerInnen, habe ich nach einem Motiv gesucht.
Heraus gekommen ist eine Wüstenlandschaft. Öde, Vergessenheit, kein Grün, kein Wasser – keine Perspektive.
Aber jetzt, da die Inzidenzen spürbar sinken, vor allem in Freiburg und im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, male ich das Schwabentor, mit blühendem Oleander davor. Sinnbild für Freude und Hoffnung.
Kontrolle ist wichtig
Noch mal zurück zur Grundrecht-Rückgabe für Geimpfte und Genesene. Was heißt das konkret und was soll das bringen? Gut, ich brauche, wenn ich zweimal geimpft bin, keinen Test beim Einkaufen – falls Geschäfte offen sind. Und auch keinen beim Friseur. Und mit viel Glück haben ab Pfingsten die Biergärten offen.
Müsste ich dann jedes Mal als Legitimation meinen Impfpass zeigen? Eigentlich zu erwarten. Irgendwie blöd, aber sicherlich nötig. Gleichzeitig kommt in den Nachrichten, dass der Impfpass, bzw. das Impf-Zertifikat leicht zu fälschen ist, was wohl in beträchtlichem Umfang gemacht wird. Mist. Vertrauen ist gut.
Kontrolle ist besser. Hat Lenin gesagt. In diesem Fall hat er sicherlich Recht. Es steht schließlich nicht jedem/jeder auf der Stirn geschrieben, dass er/sie geimpft ist. Da wird sicherlich ein weiteres Problem auf die Ordnungshüter zukommen, die die Einhaltung der Regeln überprüfen sollen.
Noch mehr Kontrolle ist vor allem in Impfzentren vonnöten. Da gibt es haufenweise VordränglerInnen, MoglerInnen, LügnerInnen. Allein in Hamburg haben sich innerhalb einer Woche 2000 Menschen eine Impfung erschlichen. Sauerei.
Es kann nicht sein, dass Menschen, die noch keine Berechtigung haben, mit allen Mitteln tricksen, um an den begehrten Pieks zu kommen. Und damit denen, die wirklich auf die Impfung angewiesen sind, das knappe Vakzin wegnehmen.
Neider – keep cool!
Reise-Freiheit für vollständig Geimpfte und von Corona Genesene? Vielleicht, was Urlaub an der Ostsee oder Nordsee betrifft. Dort sind die Inzidenzen wohl bald so niedrig, dass da mehr Beherbergungsbetriebe aufmachen als nur jene in den Modell-Regionen.
Der Urlaub im Ausland ist noch mit Hindernissen verbunden. Frankreich zum Beispiel verlangt bei Einreise immer noch einen PCR-Test, auch für Geimpfte. Alles im allem werde ich mich ein bisschen weniger eingeschränkt fühlen.
Das ist noch wenig, aber immerhin etwas. Da verstehe ich nicht, wieso fast jeder zweite Deutsche es falsch findet, wenn vollständig Geimpfte und von Corona Genesene von Ausgangssperren und Kontaktssperren befreit werden.
Hat das vielleicht mit Neid oder Missgunst zu tun? Klar, haben die eher Jüngeren, die noch nicht dran sind mit dem Impfen, in den vergangenen zwölf Monaten auf vieles verzichten müssen. Besonders Kinder, Jugendliche, Eltern. Auch wenn Corona für sie eine eher geringe Gefahr darstellte.
Zumindest galt das in der ersten Welle. Das ist jetzt anders, da viele 40 bis 50jährige auf den Intensivstationen liegen. Aber wir Ältere haben doch genauso gedarbt und gelitten und vielleicht auch mehr Angst gehabt, dass es uns erwischt.
Weniger Lebenszeit
Und uns Älteren bleibt rein statistisch gesehen nicht mehr soviel Lebenszeit wie den Jüngeren. Warum sollten wir nicht wieder gleich machen dürfen, was das Leben lebenswert macht?
Auch das ist eine Frage der Solidarität und hat nichts mit Spaltung der Gesellschaft zu tun. Machen wir uns nichts vor: zweimal Geimpfte und Genesene machen derzeit gerade mal magere 10 Prozent der Bevölkerung aus.
Warum also das Geschrei. Außerdem: Die Rücknahme der Freiheitsbeschränkungen für diese Gruppe könnte vielleicht für diejenigen, die jetzt querdenken, ein Anreiz sein, geradeaus zudenken und sich impfen zu lassen. Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto schneller erreichen wir die Herdenimmunität. Und das bedeutet Freiheit für alle.
Impfen für alle
Deswegen finde ich zwei Aktionen, die jetzt laufen, super. Erstens: Das Impfen in sozialen Brennpunkten wie in Köln, Mannheim oder in Flüchtlingsheimen.
Je schneller dort geimpft wird, desto besser wird die Infektionslage. Und desto schneller könnten weitere Einschränkungen zurückgenommen werden. Das gleiche gilt für die Massenimpfung auf einem Parkplatz in Pforzheim.
Dort organisiert eine taffe Ärztin das Impfen mit AstraZeneca für alle, die ihn wollen. Klar ist impfen für alle besser, als dass der in Verruf geratene Impfstoff vergammelt. Deswegen gut, dass Spahn bundesweit die Priorität erst für AstraZeneca freigegeben hat und jetzt auch für Johnson und Johnson.
Kinder am Arsch
Angesichts fallender Inzidenzen und Zunahme des Impftempos lobt die Politik sich mal wieder selber. Mehr noch: Sie verspricht einen guten Sommer.
Vergessen werden wieder mal die Kinder. Denn die werden bis zum Sommer garantiert nicht geimpft sein. Dann wird vielleicht BioNTech für 12- bis 16jährige zugelassen sein.
Jüngere Kinder gucken wohl auch nach den Sommerferien in die Röhre und müssen sich weiterhin mit Homeschooling quälen oder sind verdonnert, weiterhin in Schulen und Kitas ohne Luftfilter zu hocken.
Anmaßendes Lob
Und da ist noch etwas, wofür sich die Regierung anmaßt, sich selber zu loben: Für das blitzschnelle Handeln nach der schallenden Ohrfeige, die das BVG der Bundesregierung für das vermurkste Klimaschutzgesetz erteilt hat.
Das BVG hatte zuvor das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz als teilweise verfassungswidrig eingestuft, da es zu viele Lasten auf die Zeit nach 2030 verschiebt und damit die Freiheitsrechte jüngerer Generationen gefährdet.
In Windeseile werden jetzt plötzlich alle Politiker zu Klimaschützern und überbieten sich mit Vorschlägen. So posaunen der Bremser von der CDU, Wirtschaftsminister Altmeier und die Labertasche von der SPD, Schultze, Zielmarken für ein neues Klimaschutzgesetz hinaus. Zielmarken, die hinten und vorne nicht reichen.
Allein das erklärte Ziel, die CO²-Emissionen um 65 Prozent bis 2030 zu reduzieren, entpuppt sich als Windei. Denn genau diese Reduzierung muss Deutschland sowieso machen, nämlich auf Anweisung der EU-Kommission in Brüssel.
Nebulös und unkonkret
Der Bonbon, früher als 2050 Klimaneutralität erreichen zu wollen, kling zwar ambitiös, reicht aber nach Aussagen vom Klimaexperten nicht. Der Weg dorthin und vor allem, wie das Ziel umgesetzt werden soll, bleibt nebulös und unkonkret.
Mehr Windräder, weniger Kohle, ja schön. Aber wie und wie viele Windräder mehr und wo? Und die Kohle, wann genau ist endgültig Schluss damit? Das wären notwendige An- und Vorgaben. Genauso wie ein Gesetz, das vorschreibt, Autos mit Verbrennungsmotor ab 2025 nicht mehr neuzuzulassen.
Ja, und was ist den Kosten, die notwendigerweise auf alle zukommen? Da wären ebenso klare, ehrliche Antworten nötig. Aber wir haben Wahlkampf, da wird der Kohle- und Wirtschaft-Lobbyist Laschet den Teufel tun und sich festlegen. Genauso wenig wie der Scholzomat der früheren Arbeiterpartei SPD.
Und die Industrie zittert, jammert und wettert jetzt schon gegen die angekündigte Erhöhung der C0²-Abgabe. Immerhin der angelaufene Bundes-Wahlkampf scheint zum Klima-Wahlkampf zu werden. Und das ist gut so.