November 2021 | 16. – 30. November

Corona-Horror in Deutschland. Trotz 2 G, 3G und 3 Gplus: Warum bekommen wir die vierte Welle nicht in den Griff? Ampel-Koalitionsvertrag: Warum der Klimaschutz baden geht. Lenin hatte Recht: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.  Außerdem: Warum Weihnachtsmärkte verboten gehören und die Kontrolle der Verbote und Einschränkungen zu lasch ist.

Inhaltsverzeichnis

Wut im Bauch

Deutschland wird violett: Regionen mit Inzidenzen über 1000. Immer mehr Tote. Viele Kliniken bereiten sich auf die Triage vor. Ganz Deutschland ein einziger Corona-Ausbruch. Alarmstufen in vielen Ländern. In Bayern, Sachsen, Thüringen – auch in Baden Württemberg.

Folge: Kontaktbeschränkungen, nächtlicher Lockdown in vielen Kreisen. Bundesweit 3G am Arbeitsplatz und in Bussen und Bahnen. 2G im Alltag. Nur noch Geimpfte und Genesene haben Zugang zu Restaurants, Theater, Kinos und Museen sowie zu öffentlichen Veranstaltungen wie etwa zu Weihnachtsmärkten oder zu Fußballstadien.

Teilweise gilt sogar 2G Plus. Also nicht nur Zugangsverbote und Druck für Ungeimpfte, sondern auch Einschränkungen für Genesene und Geimpfte. Also wie für mich und die große Mehrheit der Bevölkerung. Wir, die bislang tapfer und verantwortungsbewusst unseren Teil zur Pandemie-Bekämpfung beigetragen haben. 20 lange Monate.

Aber jetzt kommt bei mir Frust und Wut auf. Große Wut auf die Ungeimpften, die uns die Suppe eingebrockt haben. Aber auch Wut auf die Politik, die Corona nicht in den Griff bekommt.

Corona-Krisenstab

Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Mit der neuen Regierung und ihrem Koalitionsvertrag kommt auch ein ständiger Corona-Krisenstab. Längst überfällig und hoffentlich nicht so schwerfällig wie die unfruchtbaren und langwierigen Konferenzen der Ministerpräsidenten. Überhaupt der Koalitionsvertrag. Überschrift: mehr Fortschritt wagen. Das Moto geklaut bei Willy Brandt (mehr Demokratie wagen). Sei’s drum. Wenn sie denn endlich anfangen zu regieren!

Aufbruch, Fortschritt und Modernisierung – alles schöne Worte. Aber sie sind Schall und Rauch, wenn es nicht gelingt, das Virus zu besiegen. Kein Aufbruch ohne vollständig geimpfte und geschützte Bevölkerung.

Kohleausstieg schwammig

Die Zeit drängt, das Virus wartet nicht. Seine Bekämpfung wird weiterhin Milliarden kosten und die Aufbruchspläne der neuen Regierung gefährden. Wenn Milliarden Euro für die Pandemie-Bekämpfung draufgehen, ist kein Geld mehr da für die versprochenen gigantischen Investitionen für den Klimaschutz.

Vielleicht steht deswegen im Koalitionsvertrag drin, dass der Kohleausstieg zwar bis zum Jahr 2030 kommen soll – idealerweise. Wieder nur Absichtserklärung, statt Nägel mit Köpfen. Sieht aus wie ein Geschenk der Grünen an die FDP.

Bock zum Gärtner

Überhaupt erweist sich die FDP mal wieder als Bremser beim Klimaschutz. Jetzt bekommt sie auch noch das wichtige Verkehrsministerium mit dem aalglatten Volker Wissing. Da hat die Koalition den Bock zum Gärtner gemacht.

Mit den Liberalen gibt es keine Verkehrswende, nicht mal das dingend notwendige Tempolimit auf den Autobahnen. Auch werden Diesel und Benziner Deutschlands Luft noch lange verpesten. Die FDP verhindert einen schnellen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, gefährdet das Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Deutschland wird Autoland bleiben. Mitten der Klimakrise.

Kein Veto für Habeck

Leise Hoffnung der Grünen: der Klima-Check aus ihrem Superministerium Wirtschaft und Klimaschutz. Mit dem darf Robert Habeck künftige Gesetze und Verordnungen aller anderen Ministerien unter die Klimaschutz-Lupe nehmen. Mal sehen, wie effektiv das ist. Ein Veto ist nicht vorgesehen.

Es bleibt die Frage, ob die Basis-Grünen diesem nicht so grünen Koalitionsvertrag überhaupt zustimmen. Denn erst nach dem Ok nach der Online-Befragung der Grünen-Mitglieder darf unterschrieben werden.

Booster-Schlangen

Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser. Das wusste schon Lenin. Das Vertrauen der Politik, dass die Mehrheit der Deutschen sich impfen lässt, ist jedenfalls krachend gescheitert. Ebenso wie der Versuch, mit kostenpflichtigen Tests die Menschen zum Impfen zu bringen. Jetzt also Aussperren und Eintrittverbote für alle die, die nicht geimpft sind oder sich nicht impfen lassen wollen.

Verbote helfen allerdings nur, wenn sie kontrolliert werden. Aber die Kontrollen sind bisher lax und Bußgelder helfen offenbar auch nicht. Immerhin, es sieht so aus, als wenn 2G- und 2G Plus-Regeln Wirkung zeigen. Folge: wieder Menschenschlangen vor Impfzentren und Impfbussen. Jedoch vorwiegend jene, die sich für die Booster-Impfung anstellen. Aber unter ihnen sind auch viele, die sich jetzt durchringen, sich doch zum ersten Mal Corona-impfen zu lassen. Die meisten aus dem Grund, weil sie sonst fast nirgendwo mehr rein kommen. Druck wirkt eben doch.

Den meisten Druck bewirken jetzt die 2G-Plus und die 50-Prozent-Regeln.Bei der 50-Prozent-Regel darf nur noch die Hälfte der sonst üblichen Personen eine Veranstaltung besuchen. Die Regel gilt teilweise auf Weihnachtsmärkten, in Theatern, Klubs sowie bei anderen öffentlichen Veranstaltungen.

2 G killt Weihnachtsmarkt

Das erste Opfer in Freiburg: der Weihnachtsmarkt. Nur sechs Tage dauerte der vermeintlich besinnliche Vorweihnachtszauber in Freiburg. An den sechs Tagen mit der 2G-Regel Zehntausende von Besuchern. Mit der 2G Plus-Regel kam das Aus. Ich finde das gut und richtig. Der Weihnachtsmarkt hätte überhaupt nicht stattfinden sollen.

Klar, jammern jetzt vor allem Beschicker. Nicht nur wegen der Ertragseinbußen. Sie können nicht verstehen, warum bei ihnen die strenge 2 G Plus Regel gilt, obwohl sich ihre Verkaufs- und Imbissstände im Freien befinden. Dagegen sind Läden und Geschäfte in Innenräumen und müssen nur 3 G-Regel befolgen. Verordnungswirrwarr einerseits. Da gebe ich den Beschickern Recht.

Falsches Signal

Weihnachtsmärkte sind schon lange nicht mehr besinnlich und schön. Zwar auf der einen Seite Lichterglanz, Handwerkskunst und Duft von Lebkuchen und Zimt. Auf der anderen Seite: Menschenmassen, Gedränge, Alkohol. Abstandhalten Fehlanzeige.

Und jetzt die Horrorszenarien in den überlasteten Intensivstationen. Menschen, die um ihr Leben ringen, Pflegerkräfte und ÄrztInnen, die Übermenschliches leisten. Kann man da überhaupt auf einem Weihnachtsmarkt Freude empfinden? Man muss man doch nicht auf Biegen und Brechen eine Stimmung erzeugen wollen, für die im Moment überhaupt kein Platz ist.

Von weihnachtlicher Stimmung ist erfahrungsgemäß an den Glühweinständen nicht viel zu spüren. Budenzauber mit Abstand und ohne Maske? Wie soll das gehen nach zwei, drei Glühwein? Ich denke, Weihnachtsmärkte sind in dieser Zeit, in der es dringend geboten ist, Kontakte zu vermeiden das falsche Signal.

Sie könnten zu einem Corona-Brandbeschleuniger werden. Das muss unbedingt vermieden werden. Also lieber alle Weihnachtsmärkte schnell zumachen als sehenden Auges in der Katastrophe landen. Das gilt genauso für die Fußballstadien. Dicht machen!

Kontrolle muss sein

Glück gehabt haben die Gastronomen. Der 2G Plus-Kelch ist an ihnen vorüber gegangen. Zutritt mit 2G. Aber nach wie vor hapert es bei den Kontrollen. Ordnungsämter führen zwar stichprobenartig Kontrollen durch. Leider nicht oft genug. Oft sind Kontrollen auch noch angekündigt. Das ist mehr als unsinnig. Obwohl die Kontrollen angekündigt sind, gibt es Gastronomen und Gäste, die sich nicht an die Regeln halten.

Wenn bei angekündigten Kontrollen in knapp 100 kontrollierten Gaststätten rund ein Drittel Verstöße gegen die Corona-Regeln festgestellt werden, läuft etwas gewaltig schief. Teilweise keine oder nur schlampige Datenerhebung für die Kontaktnachverfolgung. Nachlässige und oft wenig gewissenhafte Kontrolle bei der Überprüfung der Impfnachweise. Immerhin kaum Verstöße gegen die Maskenpflicht.

Jetzt soll unangekündigt kontrolliert werden. Aber schon jammern die Ordnungsämter auf dem Land, dass sie kein Personal für die Kontrollen haben. Ja, aber verdammt noch mal, Kontrolle muss sein! Dann müssen die Kommunen jetzt eben etwas mehr Schulden machen oder findig sein und auf anderen Wegen Geld für die notwendigen Kontrolleure auftreiben.

Attest-Betrug

Immerhin sind die Behörden dem Attest-Betrug in einer Waldorfschule in Freiburg auf die Schliche gekommen. Dort entsprachen 55 Atteste zur Masken-Befreiung von Schülern, Schülerinnen und Lehrkräften nicht den Anforderungen der Corona-Verordnung.

Die meisten Atteste stammten von Privatkliniken in Bayern und Berlin. Brisant: In den Begründungen stand fast überall die gleiche Diagnose: C02-Rückatmung. Was auch immer das sein mag, es klingt irgendwie unsinnig. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Fremde Impfnachweise

Anderes Negativ-Beispiel: Einer meiner Ex-Kollegen berichtet, dass er mit vier  KollegInnen in eine gut gefüllte Kneipe wollte. Nur der erste wurde nach dem Impf-Nachweis gefragt, die anderen wurden durchgewunken. Geht gar nicht.

Meine Erfahrung bei den Kontrollen: Mal ein kurzer Blick aufs die CovApp, mal gar keiner. Ganz selten werde ich gleichzeitig nach dem Personalausweis gefragt, damit man den Namen vergleichen kann. Zu wenig! Das genügt nicht, um zu verhindern, dass sich Ungeimpfte unters Volk mischen. Verantwortunglos: Trickser, die sich einen fremden Impfnachweis auf ihr Handy einscannen.

Scannen mit Check-App!

Apropos einscannen: Warum werden die digitalen Nachweise, bzw. QR-Codes nicht per Covpass-CheckApp vom Kontrollpersonal gescannt und geprüft? Die ist kostenlos bei Android und Apple. In Frankreich ist das Scannen überall Usus. Das Land hat jetzt eine Impfquote von mehr als 80 Prozent!

Ich frage mich, warum gibt es bei uns keine gewissenhafte Kontrolle? Zu umständlich, zu faul, zu nachlässig, zu wenig digitalisiert? Sicherlich treffen alle vier Kriterien zu. Gut, es gibt auch positive Beispiele. Wenn auch selten.

So wurde ich in einem Freiburger Lokal gewissenhaft nach Impfnachweis und Ausweis gefragt. Ein netter Herr scannte den QR-Code, überprüfte das Datum der Impfungen und wies daraufhin, meine Daten per Luca-App anzugeben. So muss das sein.

Im Betrieb testen!

Auch die deutschen Büros, Unternehmen und Betriebe müssen sich jetzt als Controlletis betätigen. 3G gilt überall in Bus und Bahnen sowie am Arbeitsplatz. Alle Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten können und daher im Betrieb ihren Job machen sollen, müssen geimpft, genesen oder getestet sein, bevor sie ihren Job antreten.

Teilweise Gejammer von den Firmenchefs wegen der zusätzlichen Aufgaben und der aufwendigen Organisation. Teilweise aber Genugtuung. Bekommen doch manche Arbeitgeber auf diese Weise Auskunft über den Impfstatus ihrer MitarbeiterInnen. Das Testen muss allerdings vor dem Jobantritt erfolgen.

Es ist in dem Fall dem Arbeitnehmer als eine individuelle Pflicht auferlegt. Abgesehen davon, dass die Verordnung mal wieder zu spät kommt, ist sie typisch für ein kapitalistisches System wie in Deutschland. Korrekter und sozialer wäre es, wenn der Aufwand für das Testen wenigstens als Arbeitszeit angerechnet würde.

Herumeierei

Verspätete und halbherzige Verordnungen, typisch für die deutsche Politik. Und mal wieder ein Beispiel dafür, wie die Politik Verantwortung verlagert. Statt klarer und handfester Kante, nur Herumeierei. Nichts anderes ist die Einführung der 3-G-REgel in den Betrieben und in Bus und Bahnen.

Die Umsetzung der umfangreichen Test- und Kontrollpflichten sind aufwendig und kompliziert für die Unternehmen und nervig und eine Zumutung für die Beschäftigen. Warum nicht gleich eine generelle Impfpflicht einführen. Für alle.

Letztes Mittel - Impfpflicht

Immerhin nimmt die Diskussion darüber endlich Fahrt auch. Es war ein Riesen-Fehler, eine generelle Impfpflicht frühzeitig auszuschließen, wie es die frühere Bundesregierung getan hat. Nicht mal eine Debatte hatte es darüber gegeben.

Die kommt jetzt. Mit Wucht. Das muss auch sein. Denn die allgemeine Impfpflicht ist ein scharfes Schwert, geeignet die Gesellschaft auf tiefste zu spalten.Zwar ist die generelle Impfpflicht offenbar rechtlich möglich. Dennoch kann sie nicht einfach verordnet werden. In einer Demokratie müssen alle Argumente für und wieder die Impflicht noch mal durchgekaut, geknetet, durchleuchtet werden. Und zwar von Ethikrat, vom wissenschaftliche Beirat – und vom Parlament.

Wenn man dort zur Überzeugung kommt, dass alle weicheren milderen Mittel der Pandemie-Bekämpfung ausgeschöpft sind, dann ist eine Impfpflicht unmausweichlich. Allerdings wird sie, falls sie kommt, zu spät kommen. Jetzt muss gehandelt werden. Noch mehr Einschränkungen unserer Kontakte, ja unserer Freiheit, müssen her. Stante pede. Leider.

Hotspot Karneval

Zum Schluss noch ein Hammer: die Bilder der Karnevalseröffnung in Köln. Sie haben mich fassungslos gemacht. Der Höhepunkt der Unvernunft. Menschenmassen dicht an dicht. Schunkeln, Umarmungen, Küsse. Es wurde gefeiert als gäbe es kein Morgen. Ein Leckerbissen für das Coronavirus.

Unverantwortlich, riefen die Kritiker. Wie Recht sie hatten, zeigt sich jetzt 14 Tage später. Die Inzidenz klettert auf knapp 300. Rekord. Karneval sei Dank, möchte man kommentieren. Interessant in dem Zusammenhang ist die Bemerkung des Präsidenten der Kölner Karnevalsgesellschaft Christoph Kückelhorn: „Karneval ist seelenreinigend!“ Na denn Prösterchen! Seelenreinigung bedeutet, sich von negativen und belastenden Einflüssen zu säubern, damit man wieder gesund und glücklich wird.

Offenbar haben viele feiernde Jecken diesen Leitspruch missverstanden und sich unvorsichtig und lasterhaft verhalten. Keine Satire, sondern bittere Wahrheit: Kuckelkorn gehört das größte Bestattungsunternehmen in Köln.

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