November 2022 | 1. – 30. November

Bürgergeld: Zahnlose SPD und Grüne. Wie die CDU die Bevölkerung schamlos hinters Licht führt. Reha: Mein beschwerlicher Aufenthalt in der Theresienklinik. Außerdem: Schmerztherapie. Meine unglaubliche Woche in der Neurochirurgie.

Inhaltsverzeichnis

Schmarotzer?

Bild-Zeitung und CDU-Merz haben es wieder erfolgreich hervorgeholt: das Zerrbild des faulen Arbeitslosen, der sich mit Bierdose im Arm den Arsch auf dem Sofa fett sitzt und grinsend von den Steuerbeiträgen der rechtschaffend arbeitenden Bevölkerung schmarotzt.

Die CDU hat das von der Ampel geplante Bürgergeld so zurechtgestutzt, dass von der größten Sozialreform seit 20 Jahren, wie die SPD sie nennt, kaum mehr etwas übrig bleibt.

Hartz IV bleibt Harz IV, auch wenn es in Bürgergeld umbenannt wird. Sanktionen wie gehabt. Die geplante halbjährige Schonfrist ohne Sanktionen ersatzlos und gnadenlos gestrichen.

Strafe muss sein?

In der geplanten Vertrauenszeit sollte das Vertrauen zwischen Jobcenter und Arbeitslosen geschaffen und gestärkt werden. Weniger Gängelung, dafür Unterstützung und Förderung. Vor allem Aussicht auf qualifizierte Stellen statt auf Hilfsjobs. Das war die wohlgemeinte und hoffnungsvolle Idee.

Doch stattdessen regieren wieder zwei konservative Prinzipien: Pflichten sind eherne Gesetze und Strafe muss sein bei Pflichtverletzung.

Das Schonvermögen von 40 000 Euro, das jetzt über ein Jahr – und nicht wie geplant zwei Jahre – nicht angetastet werden darf, macht den Kohl für Arbeitslose auch nicht fett. Das ist eine Summe, von der viele Betroffene nur träumen können.

Schamlos

Die CDU rühmt sich, schwere Systemfehler beim Bürgergeld beseitigt zu haben. In Wahrheit spielt sie arbeitende Menschen gegen Arbeitslose aus. Schlimm, das die Mehrzahl der deutschen Medien dieses Spiel mitspielt und die Mehrheit der Bevölkerung diesem üblem Spiel auf den Leim geht.

Nur so erreicht CDU ungerechtfertigt gute Umfragewerte. Es ist schamlos und unverfroren, Hilfsbedürftige und Arbeitslose zu verunglimpfen und ihnen die Schuld an ihrem angeblichen Scheitern zu geben. Viele Arbeitslose sind nicht faul, sondern krank. Viele müssen Kinder betreuen und finden deshalb keinen Job.

Kontraproduktiv

Sanktionen haben keinerlei positive Wirkungen auf die Motivation der Betroffenen, so das Ergebnis einer Studie des Berliner Instituts für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (Ines). Im Gegenteil: Sanktionen haben laut den Wissenschaftlern erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Betroffenen und wirken sogar kontraproduktiv auf deren Motivation, einen Job zu finden.

Jetzt fällt immerhin ein Drängelungs-Instrument weg: dass Arbeitsagenturen auf Biegen und Brechen einen Job vermitteln müssen und wollen.  Das ist einer der wenigen positiven Aspekte des neuen Bürgergelds. Betroffene müssen künftig nicht jeden Hilfsjob annehmen, sie können sich qualifizieren.

Entscheidend ist allerdings, was die Jobcenter vor Ort aus den neuen Vorgaben machen. Dabei bleiben viele Fragen offen: Schaffen es die Jobcenter, das neue Leitbild der „Kooperation mit Arbeitssuchenden auf Augenhöhe“ in die Praxis umzusetzen? Und wie sieht das konkret aus im Hinblick auf das Verhältnis zu den Firmen und Unternehmen?

 

Existenzminimum

Eines ist bei der angeblich größten Reform seit 20 Jahren wirklich lachhaft: die Erhöhung des Bezugsgelds um schlappe 50 Euro. Die reichen nicht mal zum Inflationsausgleich. Schon jetzt decken bei der Hälfte der Hartz IV-Bezieher und -Bezieherinnen die Einnahmen nicht die Ausgaben.

Die Betroffenen können nur mit Hilfe von Lebensmittelspenden von der Tafel über die Runden kommen. Sie leben unter dem Existenzminimum. Und es wird immer schlimmer.

 

Inflation

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet bis Jahresende mit einer Inflation von zehn Prozent und für 2023 mit acht Prozent. Auf Menschen mit geringem Einkommen wie Bürgergeldbezieher lastet die Inflation drei- bis viermal so schwer. Sie müssen einen Großteil ihres Geldes für Lebensmittel verwenden.

Und da liegen die Preissteigerungen sogar bei 15 bis 20 Prozent. Das ist nicht zu stemmen. Niemand sollte weniger haben als das, was er zum Überleben braucht. Das bedeutet, dass das Bürgergeld dringend erhöht werden muss.

Reha in Bad Krozingen

Nun zu einem ebenfalls traurigen Thema: mein langer und beschwerlicher Aufenthalt in der Reha und eine weitere Woche in der Neurochirurgie:

Noch in der medizinischen Klinik ist klar, dass ich eine Reha benötige, um wieder auf die Beine zu kommen. Für die, die den letzten Blog nicht gelesen haben: Ich hatte eine Wirbelsäulen-OP. Unmittelbar anschließend habe ich mir eine schwere Lungenembolie eingefangen.

Ich entscheide mich für die Theresienklinik in Bad Krozingen. Der Sozialdienst der Klinik übernimmt die Anmeldung und den Antrag auf Kostenübernahme bei meiner Krankenkasse Debeka.

Alles geregelt, denke ich. Doch Pustekuchen. Weit gefehlt. Denn als ich die Krankenkasse anrufe, um mich über den Stand der Dinge zu erkundigen, kommt die Überraschung: Keine Kostenübernahme für die Reha.

 

 

Debeka blockt ab

Die Debeka will lediglich eine Kur genehmigen. Das heißt, sie übernimmt 22 Euro pro Tag der Behandlungskosten, mehr nicht. Das darf nicht wahr sein, ereifere ich mich. „Ihr Krankheitsbild ergibt lediglich den Anspruch auf Kur“, erklärt die Mitarbeiterin am Telefon.

„Wie, Lungenembolie und Wirbelsäulen-OP sind keine Erkrankungen, die einer Nachbehandlung in einer Klinik notwendig machen?“, frage ich. – „Uns liegen keine Unterlagen über die Wirbelsäulen-OP vor. Und die konkrete Begründung für eine Reha im Anschluss an eine Lungenembolie fehlt auch.“

„Das darf nicht wahr sein“, sage ich. „Die Reha beginnt in drei Tagen. Ich benötige schnellstmöglich eine Zusage über die Kostenübernahme.“ – „Dann schicken Sie uns aussagekräftige Unterlagen, am besten per Mail mit der Bitte um Überprüfung durch die Fachabteilung. Ich kann ihnen aber nichts versprechen“, so die Debeka-Mitarbeiterin.

 

Protest-Mail

Nach diesem Anruf muss ich erst einmal tief Luftholen, soweit es überhaupt möglich ist. Dann werde ich aktiv. Anruf beim Sozialdienst der medizinischen Klinik. Der verspricht, sich bei der medizinischen Klinik nochmals um eine aussagekräftige Begründung zu kümmern.

Ebenso rufe ich meinen Orthopäden an. Auch der will sofort einen Antrag schreiben. Außerdem Anruf bei der Theresienklinik. Die nette Sachbearbeiterin gibt mir einen entscheidenden Tipp. In meinem Widerspruch an die Krankenkkasse soll ich unbedingt betonen, dass beide Erkrankungen laut den Statuten des Verbandes der Ersatzkassen klassische Fälle für die Reha sind.

Dankbar nehme ich die Formlierungen in meine Protest-Mail an die Debeka auf. Füge beide Arztbriefe als Anhang hinzu und bitte um schnelle Überprüfung und Genehmigung der Kostenübernahme.

 

Anruf am Samstag

Am nächsten Tag klingelt das Telefon um 9.10 Uhr. Es ist ein Samstag. Und es ist tatsächlich die Krankenkasse. „Eine nochmalige Überprüfung durch die Fachabteilung hat ergeben, dass Sie doch Anspruch auf eine Reha haben“, sagt die Debeka-Mitarbeiterin.

Das Schreiben mit der Zusage der Kostenübernahme gehe mir in den nächsten Tagen zu. „Die Debeka entschuldige sich für die Unannehmlichkeiten“, fügt die Dame zum Schluss des Telefonats hinzu. Ich bin total perplex und erfreut. Hartnäckigkeit, schneller Widerspruch, die richtigen Fachausdrücke. Alles das zusammen hat sich wohl gelohnt.

 

Trinkbrunnen

Ankunft in der Klinik. Das Erste, was ich an der Rezeption bekomme, ist eine Stofftasche mit der Aufschrift Theresienklinik sowie zwei Plastikflaschen mit meinem Namen drauf. „Die sind für den Trinkbrunnen in der ersten Etage. Eigene Flaschen sind verboten“, sagt die Dame an der Rezeption.

Ich wundere mich und frage, ob das Leitungswasser in der Klinik denn so schlecht sei. Antwort: „Nein, aber das Wasser im Trinkbrunnen ist besser, weil es doppelt kontrolliert wird.“ Na ja, ich habe später verglichen und keinen Unterschied festgestellt.

Die nächste Überraschung: Wlan ist nicht kostenlos. 25 Euro für muss ich berappen, damit ich für drei Wochen ins Internet komme. Warum? Anweisung der Geschäftsleitung, heißt die lapidare Antwort.

 

Spinnweben und Schlieren

Das Zimmer in der Theresienklinik ist nüchtern eingerichtet. Riesenschrank, Bett, kleiner Schreibtisch mit Hocker, Balkon, seitlicher Blick auf den Kurpark. Allerdings hat das Zimmer einen Anstrich dringend nötig. Schwarze Schlieren an der Wand. Überhaupt wird es mit der Sauberkeit nicht so genau genommen.

Vielleicht sind es aber auch Vorgaben der Geschäftsführung zum Sparen. So wird die Bettwäsche wird alle zehn Tage gewechselt – iih! Der Putzdienst wischt alle zwei Tage in Windeseile durchs Zimmer, übersieht gern mal Staub und Dreck unter dem Nachtisch und die Spinnweben an der Decke.

 

Personalmangel

Möglicher weiterer Grund: Personalmangel. Der ist ebenso offensichtlich bei den Krankenschwestern. Schwester Petra, die am Donnerstag den ganzen Tag bis 20.30 Uhr gearbeitet hat, hat eigentlich am Freitag frei. Trotzdem erscheint sie Freitagmorgen pünktlich um 7 Uhr zum Dienst.

„Sie haben doch frei. Warum sind Sie hier?“, frage ich. Antwort: „Eine Mitarbeiterin ist erkrankt. Wir haben keinen Ersatz für solche Fälle. Da muss eben einer von uns Hauptamtlichen in den sauren Apfel beißen und kommen, obwohl wir frei haben.“

Der Bleistift regiert

Der Tagesablauf ist in der ersten Woche immer gleich und immer gleich langweilig. Kurz vor sieben Uhr: selbstständiges Blutdruckmessen, Körpergewicht wiegen und Werte eintragen auf eine Liste in dem dafür vorgesehenen Zimmer. Warum der Eintrag mit Bleistift geschieht, ist nicht zu verstehen.

Aber auch der Medikamentenplan wird mit Bleistift geführt. Ich frage mich, warum mit Bleistift? Und komme auf folgende Antwort. In der papierlastigen Welt der Klinik, ist es eben einfach und schnell gemacht zu radieren und Daten zu ändern. Zum Beispiel, wenn ein Medikament auf Anordnung des Arztes geändert werden muss. Datenschutz hin oder her.

Akte im Hängeregister

Zum Glück wird die Akte, die jeder Patient hat, nicht mit Bleistift geführt. Die Akte ist sozusagen meine Identität. Ein papierner Ordner mit meinen Werten und Messdaten aller Untersuchungen, die mit mir durchgeführt werden. EKG, Blutwerte, Lungenkapazität, dazu kommt die ausführliche Anamnese, handschriftlich versteht sich.

Einmal pro Woche gibt es eine Visite im dafür vorgesehen Arztzimmer. Dort blättert der Professor in der Akte, um mir mitzuteilen, ob und wie er mit dem Verlauf meiner Genesung zufrieden ist. Außerdem überprüft er die Werte von Puls und Blutdruck, die in Tabellen auf blauem Papier in meinem grünen Therapiebuch abgeheftet sind.

Am Ende der Visite überreicht mir der Professor meine Akte, damit ich sie ins Schwesternzimmer, das hier Pflegestützpunkt heißt, zurückbringe. Dort kommt meine Akte in ein Hängeregister, das nach Namen sortiert ist. Bei solcher Ordnung und solch geregeltem Ablauf erscheint Digitalisierung wie eine fremde Welt.

Grünes Therapiebuch

Als ich in der zweiten Woche Visite in der orthopädischen Abteilung habe, muss ich die Akte aus dem Schwesternzimmer holen, damit sich Arzt bzw. Ärztin einlesen und sich ein Bild machen kann. Das grüne Therapiebuch ist mein täglicher Fahrplan.

Dort stehen auf weißen Zetteln die Untersuchungen und Trainings, die ich täglich zu absolvieren habe. Exakte Angaben mit Uhrzeit, Raum und Name des Therapeuten. Selbst die Zeiten für die täglichen Mahlzeiten sind aufgeführt.

Die Zettel sind gelocht zu dem Zweck, dass ich sie säuberlich in mein Therapiebuch einhefte. Die Zettel muss ich mir allabendlich aus einem Postfach in der Nähe der Rezeption abholen. Welch ein bürokratischer Aufwand!

 

Blauer Bauch

Gegenüber dem Pflegestützpunkt befindet sich  das Behandlungszimmer. Dort werden Verbände gewechselt und wird Blutzucker gemessen. Ich muss dort in der ersten Woche morgens und abends täglich hinein, um mir meine Thrombose-Spritze geben zu lassen. Immer in den Bauch.

Der Stich verursacht ein kurzes Brennen. Kein Schmerz, aber mein Bauch sieht total blau aus. Nach zehn Tagen keine Spritzen mehr. Was für eine Erleichterung! Das Mittel zur Hemmung der Blutgerinnung bekomme ich jetzt per Tabletten. Ich bekomme viele Tabletten.

Auf den Schreibtisch in meinem Zimmer steht eine weiße Tablettenbox mit den verschriebenen Pillen. Es sind vier bis fünf unterschiedliche Pillen. Ich weiß nicht genau, was gegen was hilft, und welche Tablette welche Erscheinung verhindert oder welchen Prozess unterstützt.

Darüber wurde ich leider nicht im Einzelnen aufgeklärt. Ich muss gestehen, dass ich auch nur beim Blutgerinnungsmittel nachgefragt habe.

 

Pulsuhr und Pezziball

Täglich kurz nach sieben Uhr klopft es an meiner Zimmertür. Es ist der Azubi. Der hilft mir, die Thrombosestrümpfe anzuziehen. Ich nenne ihn den Fuß-Mann. Er ist nett und arbeitet professionell. Die Strümpfe muss ich tagsüber tragen. Sie liegen verdammt stramm. Das müssen sie auch. Nachts darf ich sie ausziehen.

Außer regelmäßigem Training auf dem Ergometer und Inhalationsübungen passiert in der ersten Woche nicht viel. Einmal nehme ich an einer Reha-Gruppe teil. Wir machen leichte Geh- und Laufübungen mit dem Pezziball. Alle Teilnehmer tragen eine Pulsuhr. Die ist mit einem Mess-Gürtel verbunden, den die Teilnehmer unterhalb des Herzens tragen.

Wie beim Ergometer Training trägt der Gruppenleiter Durchschnittspuls, Maximalpuls sowie Blutdruck in die dafür vorgesehenen Tabellen auf den blauen Seiten im Therapiebuch ein.

Arzt in Hut und Mantel

Nach acht Tagen hätte ich gern von ärztlicher Seite gehört, wie es meinem Herzen und meiner Lunge geht. Ob und welche Fortschritte ich mache und wann ich wieder schwimmen darf. Es nicht einfach, ein Gespräch mit dem zuständigen Arzt zu bekommen. Nie erreichbar. Die Schwestern verweisen auf die Sprechstunde, die einmal pro Woche stattfindet.

Dank meiner Beharrlichkeit habe ich eines Abends den Arzt doch noch erwischt. Er ist schon in Hut und Mantel und auf dem Weg nach Hause. Trotzdem nimmt er sich die Zeit, meine Fragen zu beantworten. Zu meiner Beruhigung mache ich offenbar große Fortschritte bei Puls und Lunge.

 

 

Endlich Physiotherapie

Äußerst schwierig ist es, zusätzliche orthopädische Anwendungen zu bekommen. Die brauche ich dringend, da ich immer noch Schwierigkeiten habe, normal zu laufen. Das hängt mit der Rücken- OP zusammen.

Die Orthopädie ist eine eigene Abteilung in der Theresienklinik. Es dauert ewig, bis orthopädische Anwendungen in mein Therapieprogramm aufgenommen werden. Inzwischen habe ich zweimal in der Orthopädie vorgesprochen und die Dringlichkeit meines Anliegens erklärt.

Jetzt bekomme ich zusätzlich Physiotherapie und Elektrotherapie und darf sogar in den Geräteraum. Allerdings nicht am Wochenende. Da gibt es keine Aufsicht. Und ohne Aufsicht darf ich nicht trainieren.

 

Nordic Walking

Zur Therapie gehört auch Nordic Walking. Für mich eine neue Erfahrung, mit Stöcken herumzulaufen. Und ausgesprochen anstrengend. Mit der Gruppe kann ich nicht mithalten. Ich bin immer der Letzte. Meine Schritte sind einfach noch zu kurz. Zum Glück sind die Therapeuten flexibel und einsichtig.

Um mich zu erholen, darf ich Pausen machen. Ich fühle mich gut aufgehoben beim Nordic Walking. Um so mehr wundert es mich, dass im Therapieplan für die kommende Woche Nordic Walking nicht mehr auftaucht. Ich schreibe eine Kurzmitteilung an die Therapieplaner, frage nach dem Grund dafür und bitte um Wiederaufnahme in die Nordic Walking-Gruppe. Keine Rückmeldung. Schweigen.

Die Pflegerinnen und Schwestern wissen auch nichts über den Grund der Änderung. Kein guter Stil. Eigentlich ein Grund sich zu beschweren.

 

Schmerzen wieder da

Aber ich lasse es. Denn plötzlich muckt mein Rücken wieder auf. Schmerzen in der Leiste, die bis zur Kniekehle ausstrahlen. Insofern kommt mir die Bewegungspause beim Nordic Walking ganz Recht. Die Schmerzen werden schlimmer.

Ich hole mir einen Termin in der orthopädischen Abteilung. „Wir können wir nur spekulieren, woher die Schmerzen kommen. Wir haben kein MRT um ein Bild der Wirbelsäule zu machen“, sagt die Oberärztin. Sie hat den Arztbrief der Neurochirurgie Freiburg vor sich liegen und verweist auf einen Satz.

Darin steht, dass bei erneut auftretenden Schmerzen es angebracht ist, Rücksprache mit der chirurgischen Ambulanz der Neurochirurgie zu halten. „Wir machen jetzt dort einen Termin für Sie, die sollen klären, woher die Schmerzen kommen.“

Bandscheibenvorfall

Und tatsächlich. Es klappt. Termin sogar am kommenden Tag. Per Taxi geht’s nach Freiburg. In der Neurochirurgie quasi die gleiche Situation wie in der Theresienklinik. Der Arzt kann nichts machen. Ein MRT muss her. Das Problem: In der Uniklinik ist der MRT-Plan rappelvoll.

 

Nur Notfälle kommen sofort dran. Und das trifft auf mich nicht zu, so der Arzt. Da könne er mir nicht helfen. Ich bin überrascht und enttäuscht. Habe aber eine Idee. Ich wende mich telefonisch sofort an meinen Orthopäden, erkläre ihm die Situation. Der gute Mann reagiert sofort, organisiert für den Nachmittag einen MRT-Termin in einer großen privaten radiologischen Praxis in Freiburg. Nichts geht über gute Kontakte.

Also mal wieder in die Röhre. Ich glaube, es ist in diesem Jahr das vierte Mal, dass ich mich in die klaustrophobische Enge begebe. Ergebnis: Bandscheibenvorfall. Auf dem Bildschirm gut zu sehen. Scheiße, auch das noch. Der Radiologe gibt mir eine CD von den Aufnahmen mit .

Per Rollstuhl zur Therapie

Zurück in der Theresienklinik. Die Schmerzen sind schier unerträglich geworden, es beißt und pocht. Mal in der Leiste, mal in der Wade. Ich kann kaum laufen, bin auf den Rollstuhl angewiesen. Zwei nette Jungs, die in der Theresienklinik ein freiwilliges Jahr absolvieren, fahren mich zu den Therapien und Untersućhungen. Die Mahlzeiten kommen jetzt per Tablett aufs Zimmer.

Die üblichen Schmerzmittel helfen kaum, da es sich um Nerven handelt, die beeinträchtigt sind. Deswegen nochmals Fahrt nach Freiburg in die Neurochirurgie. Diesmal mit CD. Der Arzt dort studiert die Aufnahmen und den Bericht des Radiologen.

 

Eine Bandscheiben-Operation komme nicht in Frage, der zeitliche Abstand zur Lungenembolie sei zu kurz, sagt der Arzt. Er rät zu einer umfassenden Schmerztherapie. Das bedeute, dass mit unterschiedlichen Medikamenten versucht wird, die Schmerzen zu lindern.

Erneut Neurochirurgie

Das bedeutet aber auch einen weiteren stationären Klinik-Aufenthalt. Also direkt von der Reha in der Theresienklinik in die Uniklinik. Station Fedor Krause befindet sich im Neubau der Uniklinik.

 

Irgendwie ist hier alles heller, die Zimmer sind größer. Das hat vielleicht auch einen Einfluss auf die Schwestern und Pflegekräfte. Sie kommen mir netter und zugewandter vor als auf den anderen Stationen, die ich kennenlernen durfte. Ausnahme der Nachtdienst in den ersten Nächten. Unhöflich und wortkarg.

 

Wie ich später erfahre, ist es ein Mann, der von der Arbeitsleasing-Firma kommt. „Wir sind froh, dass er da ist. Ansonsten hätten wir Schwierigkeiten, den Nachtdienst zu besetzen“, sagt mir eine Schwester.

 

Try und error

Die Schmerztherapie ist eigentlich nichts anderes als try und error. Unterschiedliche Medikamente werden kombiniert, in flüssiger Form als Infusion sowie in fester Form als Tabletten. Ziel ist herauszúfinden, welche Kombination meine Schmerzen am effektivsten lindert.

Auch die Stärke der Schmerzmittel variiert. Ich fühle mich vollgepumpt mit Medikamenten und frage mich, wie lange mein Magen und meine Niere das mitmachen. Die Ärzte sagen, dass sie alles im Griff haben.

Nach fünf Tagen оhne signifikante Linderung der Schmerzen entscheiden die Ärzte, dass sie eine Blockade der Nervenwurzel vornehmen wollen, um die Ausstrahlung der Schmerzen zu stoppen. Das ganze sei ein kurzer minimalintensiver Eingriff.

 Zuvor sei aber ein erneutes MRT-Bild notwendig. „Am Montag bekommen Sie die MRT, im Anschluss erfolgt der Eingriff mit Hilfe von Computertomogrphie (CT)“,  sagt der Stationsarzt. Ein ausgesprochen netter Mann afrikanischer Herkunft. Genauer aus dem Sudan.

MRT-Termin auf Zuruf

Am Montag warte ich den ganzen Tag, dass etwas passiert. Es tut sich nichts. Ich bin sauer, beschwere mich. „Die Neurologen der MRT arbeiten auf Zuruf. Vielleicht klappt es morgen“, versucht die Schwester zu beruhigen. Der nächste Tag. Ich bin immer noch sauer und denke, dass ich mich selber um einen MRT-Termin kümmern muss.

Ich rufe bei einer privaten Arztpraxis an, beim Institut für radiologische Diagnostik, bekomme tatsächlich einen Termin für Mittwoch. Das teile ich den Schwestern mit. Kurz darauf erscheint bei mir im Zimmer eine Dame vom Klinik-Transportdienst. Sie nimmt mich im Rollstuhl mit zum CT. Ich wundere mich, wieso CT?

Die Transport-Dame sagt, sie habe die Order, mich zum CT zu bringen. Mehr wisse sie nicht. Ich warte eine halbe Stunde im Gang. Es zieht wie Hechtsuppe. Im CT die Überraschung: „Was wollen Sie hier, ohne MRT können wir nichts machen“, ärgert sich der Intensivmediziner.

Irrfahrt in der Klinik

Also zurück auf Station Fedor Krause. Ich beschwere mich ausdrücklich über die unsinnige Aktion. Die Schwester versucht sich rauszureden. „Übertragungsfehler“, sagt sie. Zurück in mein Zimmer.

Nach einer halben Stunde erscheint erneut der Transportdienst. Diesmal geht’s tatsächlich zum MRT. Ich höre, wie der Transportdienst mich anmeldet. Dann warte ich. Wie immer auf dem Gang. Ich versperre mit dem Rollstuhl den Weg. Pfleger und Transportdienste müssen genau zirkeln, wenn sie mit einem Bett an mir vorbei wollen.

Neben mir sitzt ein älteres Ehepaar. Mit Erstaunen muss ich zuhören, wie eine Schwester persönliche Daten, Identität, Vorerkrankungen etc. vom Ehemann abfragt. Öffentlich mit mir und anderen Wartenden als Zuhörer. Datenschutz spielt hier offenbar keine Rolle.

Keine Chance für MRT

Nach etwa einer halben Stunde, kommt eine MRT-Mitarbeiterin. Sie überbringt mit eine Hiobsbotschaft  „Sie sind bei uns gar nicht angemeldet. Sie müssen zurück auf Station.“ – „Der Arzt hat extra bei Ihnen angerufen“, sage ich.

Mein Protest hilft nicht. „Wir haben keine Kapazität. Alle Termine sind heute und morgen vergeben.“ Entmutigt ergebe ich mich in mein Schicksal, warte auf den Transportdienst. Als nach einer halben Stunde niemand erscheint, frage ich nach und bitte um einen erneuten Anruf beim Transportdienst.

Ich höre, wie der bestellt wird. Und warte und warte. Eine halbe Stunde ist vorbei. Es reicht, sage ich mir. Ich entscheide mich, allein zurückzurollen. Mit der Kraft meiner Hände. Erschöpft und nassgeschwitzt komme ich in der Station an.

 

MRT-Termin privat

Lautstark schimpfe ich über das unsinnige und CT- und MRT-Theater. Und sage, dass ich das mit der MRT jetzt selber regele. „Ich fahre morgen mit dem Taxi zur MRT in die Radiologische Praxis“, kündige ich mit Nachdruck an.

Ein Oberarzt kommt hinzu. Er sieht nicht so aus wie ein Oberarzt, eher wie ein Student. Aber ein Schild auf seinem Kittel weist ihn als Oberarzt aus. Er versucht zu beschwichtigen. Trotzdem glaube ich nicht daran, dass es die Klinik schafft, zeitnah einen MRT-Termin im Haus zu ermöglichen. Ich beharre auf meinem MRT-Termin auswärts. Nach langem Hin und Her willigt der Oberarzt ein. Er macht den Eindruck, dass er wenig Empathie hat.

Am Mittwoch klappt es wie am Schnürchen. MRT und die anschließende Besprechung. Diagnose bestätigt: Bandscheibenvorfall. Zurück in der Klinik gebe ich die CD dem Stationsarzt. Der schaut sie sich mit dem Oberarzt an. „Heute Nachmittag ist leider kein CT-Termin mehr frei“, sagen beide.

 
 

Schmerzhafte Blockade

Schade, es ist zwar erst 13 Uhr. Vielleicht hätte man mich einschieben können. Aber dem ist nicht so. Die Anmeldeliste geht vor. Also noch einen Tag warten. Am nächsten Tag klappt’s. Aber erst nach drei Anläufen. Vor dem Eingriff muss mir Blut abgenommen werden, um das Niveau der Blutgerinnung festzustellen.

Kaum zu glauben aber wahr: Zweimal zapfen mir die Schwestern Blut am „falschen“ Arm ab. Nämlich an dem Arm, wo eine Infusion läuft. Der dritte Versuch bringt das gewünschte Ergebnis. Die Intervention kann beginnen. Der minimalintensive Eingriff entpuppt sich tatsächlich als intensiv.

Es schmerzt furchtbar, auf dem Bauch zu liegen. Noch schlimmer ist der Schmerz, als der Arzt die Nadel in mich hineinjagt. Aber anschließend ist die Tortur vorbei. Und tatsächlich: Nach etwa zehn Minuten spüre ich eine Erleichterung. Die Schmerzen im Rücken und in den Beinen sind wie durch ein Wunder verschwunden.

Offenbar hat de Eingriff gewirkt. Gehversuche in meinem Zimmer. Wahnsinn, ich humple nicht mehr. Ich laufe zwar unrund, aber vom Gefühl her fast normal. Ohne Probleme gehe ich in die Cafeteria.

 

Bombastisches Gefühl

Am Nachmittag kommt der sympathische Facharzt, Er freut sich, dass der Eingriff gut gegangen ist, gratuliert mir. „Ein bisschen Beobachtung noch, heute Nachmittag und nachts. Morgen früh können Sie gehen“, sagt er. Welche Freude und Erleichterung, das zu hören.

Dann der ersehnte Tag. Die Sonne scheint und zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Was für ein bombastisches Gefühl, mich endlich wieder bewegen zu können, ohne Schmerzen, ohne zu humpeln. Endlich wieder normale Schritte machen zu können. Ein Feiertag. Aber die Freude hält nur kurz an. Die Schmerzen kommen wieder.

 

Odyssee am Sonntag

Ich brauche wieder ein starkes Schmerzmittel. Um das zu bekommen, muss ich eine unglaubliche Odyssee hinter mich bringen. Der Grund: ein falsches Rezept, das mir bei der Entlassung gegeben wurde.

Am heiligen Sonntag muss ich meinen Orthopäden bitten, ein richtiges Rezept auszustellen. Aber das nützt auch nicht. Die Apotheke hat das Mittel nicht vorrätig. Anruf in der Klinik. Der diensthabende Arzt lehnt ein Alternativmedikament ab. Er beharrt darauf, dass nur die Uniklinik das Medikament ausgeben darf.

 

Inkompetenz

So bleibt mir nichts anders übrig, als mit dem Taxi in die Klinik zu fahren. Dort bekomme ich das Medikament nur über einen Umweg. Registrieren bei der Notaufnahme, dann endlich händigt mir auf der Station die Krankenschwester vier kleine Tabletten des Schmerzmittels aus. Sie reichen gerade für einen Tag.

Am nächsten Tag muss ich mir die gleichen Tabletten über den Hausarzt besorgen. Welch bescheuerte Aktionen, die nicht nur unsinnig und unnötig sind! Sondern auch die inkompetente und bürokratische Seite unseres Gesundheitssystems zeigen.