Oktober 2021 | 1. – 15. Oktober

Pandora-Papers, Medienkompetenz und Respektkultur. Warum journalistische Arbeit heute so wichtig ist. Und: Ärger mit der korrekten Impfquote, Ärger über die kostenpflichtigen Bürgertests. Außerdem: Abenteuer Aquarell-Waschtechnik.

Inhaltsverzeichnis

Nobelpreis

Zuerst die gute Nachricht: Friedensnobelpreis für zwei JournalistInnen. Das ist gut so. Er ist eine Mahnung, Presse und Meinungsfreiheit in aller Welt zu wahren. Eine Botschaft an jene Länder, in denen das nicht geschieht und freie Meinungsäußerungen und freie Presse unterdrückt werden.

Der Preis – gleichzeitig eine Ehrung für JournalistInnen, die mit ihrer Berichterstattung aus diktatorisch regierten Staaten die Fahne der Demokratie hochhalten. Oft mit dem Einsatz ihres Lebens.

Attacken

Leider werden auch bei uns JournalistInnen immer häufiger bedroht. Angriffe, Beleidigungen auf Demos, Attacken im Netz. Seit 2015 waren in Deutschland119 Medienschaffende gewaltsamen Angriffen ausgesetzt, so das Ergebnis einer Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit.

Und: Seit der sogenannten Flüchtlingskrise scheint es fast gesellschaftlich „normal“ zu sein, laut Lügenpresse zu rufen, also Journalisten zu unterstellen, sie würden lügen.

Medienkompetenz

Hinzu kommt oft die unsägliche Verdächtigung, JournalistInnen seien staatlich gelenkt, würden Fake News verbreiten. Welch hanebüchener Unsinn! Aber offenbar eine reale Haltung, die in großen Teilen der Gesellschaft verankert ist.

Eine aktuelle repräsentative Studie aus Sachsen belegt, dass dort viele Menschen überhaupt keine Ahnung haben, wie Medien funktionieren. 30 bis 40 Prozent kennen das Neutralitätsprinzip in der Berichterstattung nicht. 20 bis 30 Prozent glauben, dass Medien im staatlichen Besitz sind. Rund ein Drittel der Sachsen glaubt sogar, Medien seien dazu da, Meinungen zu lenken. Ein Trauerspiel!

Respektkultur

Kein Wunder, dass dann JournalistInnen für viele Menschen wie ein rotes Tuch sind. Und Beleidigungen ein Mittel, die eigene Wut und Unsicherheit zum Ausdruck zu bringen.

Da verschieben sich die Grenzen des Sagbaren, die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt. Respekt und die Achtung für einander gehen verloren. Die Gesellschaft verroht. Eine gefährliche Entwicklung. Da braucht es eine Menge an Anstrengungen um gegenzusteuern.

Wo strafbare Handlungen vorliegen wie Gewalt oder Hassparolen, da müssen Staat und Justiz eingreifen und hart bestrafen. Wir als Gesellschaft müssen wieder zu einer Art Respektkultur gelangen. Überall: zu Hause, auf Schulhöfen, in Kitas, in Betrieben und Behörden.

Indes Respekt füreinander lässt sich nicht verordnen, er muss nachvollziehbar, einsehbar und erlebbar sein. Viel Arbeit für Politik und Wissenschaft, für LehrerInnen, ErzieherInnern und SozialarbeiterInnen.

Pandora-Papers

Wie wichtig journalistische Arbeit ist, beweist einmal mehr die Veröffentlichung der Pandora-Papers. In beispielloser Recherche haben international vernetzte JournalistInnen enthüllt, wie Hunderte Politiker und Staatsoberhäupter ihr Geld weltweit in Steueroasen verstecken – in Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen.

Erschütternd, wie ungeniert und schamlos sich die politische Elite und die Superreichen dieser Welt sich bereichern, obwohl sie doch auf gemachten Polstern sitzen.

Gierige Elite

Die OECD schätzt, dass rund elf Billionen Dollar weltweit zur Steuervermeidung in Briefkastenfirmen geparkt sind. Den größten Anteil machen die verlagerten Gewinne von Großkonzernen aus. 5,7 Milliarden Euro gehen allein dem deutschen Finanzamt jedes Jahr verloren, weil Firmen ihre Gewinne in Steueroasen verlagern.

Verdammt viel Geld, das die Repräsentanten einer gierigen und nimmersatten Elite für ihr verkorkstes Ego verschleudern. Geld, das dringend gebraucht wird – etwa zur Pandemiebekämpfung, für Gesundheits- und Klimaschutz und für Hungerhilfen und den Aufbau in der Dritten Welt.

Minimale Regelungen

Das Problem: Viele dieser Steuervermeidungs-Deals sind nicht illegal. Trotzdem ist es schofelig und empörend, dass Spitzenpolitiker und politische Eliten die gleichen Methoden nutzen wie Drogenbosse und Waffenschmuggler, um ihren Reichtum zu verschleiern.

Pikant: Es ist seit langem bekannt, dass es Steueroasen gibt. Stichworte Panama-Papers, Paradise-Papers. Trotzdem zeigt kaum ein Staat Bereitschaft, daran wirklich etwas zu ändern. Außer Absichtserklärungen und minimaler Regelungen ist kaum etwas passiert, beziehungsweise hapert es an der Umsetzung.

Schlupflöcher

Beispiel Transparenzregister. Es existiert zwar mittlerweile in einigen Ländern. In ihnen kann man die wahren Eigentümer von Firmen nachschauen. Theoretisch.

Denn wer verschleiern will, kann das weiterhin dank der 25-Prozent-Grenze. Indem der Eigentümer seine Anteile auf mehrere Firmen aufsplittet, unterläuft er die 25-Prozent-Grenze und braucht keine Auskunft über den wahren Eigentümer geben, als über sich selbst. Ideales Schlupfloch.

Beispiel globale Mindestbesteuerung, auf sich die G20-Staaten jetzt einigen. Übrigens unser derzeitiger Finanzminister und vielleicht künftige Bundeskanzler ist auf seine Beteiligung dabei mächtig stolz. Der Pferdefuß: Die globale Mindestbesteuerung liegt bei lächerlich niedrigen 15 Prozent und gilt auch nur für Großkonzerne.

Übrigens unser derzeitiger Finanzminister und vielleicht künftige Bundeskanzler, Olaf Scholz, ist auf seine Beteiligung dabei mächtig stolz.

Verbieten!

Es wundert jedoch nicht, dass die Bereitschaft der Politik, Steueroasen auszutrocknen, sehr gering ist. Sowohl in der EU als auch in den USA. Schließlich gibt es in der EU mit Malta, Irland oder Zypern eigene Steueroasen. In den USA sind South Dakota, Wyoming und Delaware beliebte Steueroasen. Delaware ist die Heimat von US-Präsident Biden.

Es wird dringend Zeit, dass die enthüllten Finanzskandale echte politische und handfeste Folgen haben. Etwa indem sich die internationale Staatengemeinschaft darauf verständigt, Steueroasen einfach zu verbieten.

Wenn es keine Steueroasen mehr gibt, kann man eben kein Geld mehr verstecken. Aber das sind Wunschträume. Leider.

Whistleblower

Es äußerst notwendig, Whistleblowing zu legalisieren. Es waren Whistleblower, die den JournalistInnen die geheimen Finanzdaten zukommen ließen. Ohne diese mutigen InformantInnen hätte es weder Pandora-Papers, noch die Panama- und Paradise-Papers gegeben.

Doch statt Whistleblower zu schützen, weil sie Missstände und oft sogar Verbrechen aufdecken, werden sie fast überall verfolgt. Das muss sich dringend ändern.

Ärgernis Impfquote

Noch ein Skandal: das Ärgernis um die korrekte Impfquote. Statt 75 Prozent Erwachsene, die vollständig gegen Covid geimpft sind, könnten es sogar 80 Prozent sein. Das ergab jetzt eine repräsentative Umfrage des RKI. Erfreulich oder peinlich? Sicherlich beides.

Fünf Prozent Unterschied entsprechen immerhin 3,5 Millionen Menschen. Wäre schön, wenn das so wäre angesichts der zuletzt stockenden Impfbereitschaft. Aber peinlich deswegen, weil die Zahlen wieder einmal deutlich die Mängel im digital unterbelichteten Deutschland aufzeigen.

Wir schaffen es einfach nicht, ordnungsgemäß und zeitnah Zahlen zu übermitteln und korrekte Datenbanken einzurichten.

Gezielte Ansprache

Allerdings, selbst wenn tatsächlich 80 Prozent der Erwachsnen geimpft wären, reichte diese Quote immer noch nicht. Damit kann man noch nicht ausschließen, dass im kommenden Winter das Gesundheitssystem von zu vielen Covid-PatientInnen erneut überlastet wird. 90 Prozent geimpfte Erwachsene sollten es schon sein.

Da ist also noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Vielleicht hilft es, die Bürger direkt und gezielt anzusprechen. Etwa mit einem Brief von der Krankenkasse, der in mehreren Sprachen kurz und prägnant über die Notwendigkeit aufklärt, sich impfen zu lassen.

Aber die Frage ist: Wissen die Krankenkassen überhaupt, wer geimpft beziehungsweise ungeimpft ist? Könnte ein Problem sein.

Kostenpflicht

Seit dem 11. Oktober sind die Bürgertests kostenpflichtig. Zwischen 10 und 25 Euro kostet solch ein Test-Nachweis. Viel Geld, beispielsweise für Studenten. Wer Seminare und Vorlesungen besuchen will oder abends in die Disco, muss genesen, geimpft sein oder einen Negativtest vorzeigen können. Studenten, die sich nicht impfen lassen wollen, bleibt nichts anderes übrig als jeden zweiten Tag für einen Test tief in ihre Taschen zu greifen.

Bisher sind es überwiegend junge Menschen, eben auch Studenten, die den Pieks verweigern und sich lieber testen lassen. Da jedoch ab jetzt das Testen Geld kostet, könnte es sein, dass sich viele über kurz oder lang doch fürs Impfen entscheiden.

Impfzwang?

Das kostenpflichtige Testen könnte aber auch den gegenteiligen Effekt nach sich ziehen, dass insgesamt die Testbereitschaft abnimmt. Folge: Immer mehr Menschen könnten unterwegs sein ohne die Gewissheit, ob sie andere anstecken oder nicht. Genauso gut möglich: Trotzrektionen. Menschen, die das kostenpflichtige Testen als Impfzwang verstehen und jetzt erst recht die Impfung verweigern.

Vielleicht geht aber doch noch das Kalkül auf: Wer die Wahl hat zwischen einer kostenlosen Corona-Impfung und kostenpflichtigen regelmäßigen, aber kostenpflichtigen Tests, der entscheidet sich letztlich doch für die Impfung.

Expressive Aquarelle

Zum Schluss etwas Erfreuliches: Mein Malkurs in Mönchengladbach. Malort: die zweite Etage in einer ehemaligen Fabrikhalle eines Gewerbehofs im Stadtteil Reydt. Im rotgeklinkerten Vorderhaus praktizieren ein Zahnarzt und ein Physiotherapeut. Auf dem hinteren Gelände befinden sich weißgraue Hallen und Schuppen mit Gewerbe aller Art: Elektro, Glaser, Maler, Maschinen- und Hausmeisterzubehör.

Ins sogenannte Kuko, dem Kunstzentrum Konstantinstraße, führt eine enge Stahltreppe hinauf. Der Werkraum ist riesengroß und Licht durchflutet. Etwa 16 großflächige Maltische, ganz am Ende des Raumes eine kleine Teeküche.

Bizarrer Farbverlauf

Expressive Aquarell-Malerei ist das Thema von Kursleiterin Jutta Hoefs. Malobjekte: knorrige Äste und Stämme. Es geht um eine neue Aquarell-Technik, die Waschtechnik. Mit unterschiedlichen Komplementärfarben deuten wir die Grundform der Gehölze auf dem Papier an. Ich setze Akzente mit schwarzer oder gelber Tusche. Exakte Konturen sind unwichtig.

Entscheidend ist der Farbverlauf, der sich nach dem Waschen der Bilder ergibt. Der aber nicht kontrollierbar ist. Nach dem Eintauchen der Bilder ins Wasser entstehen bizarre, eigenwillige Farbverläufe: mal zart, mal wild. Mal harmonisch und mal extravagant. Manchmal auch enttäuschend.

Ich bin jedes Mal überrascht über das Ergebnis. Die Arbeit macht Spaß. Angenehm und kollegial auch die Malatmosphäre und die Kollegialität meiner Mitstreiterinnen: neun Damen mittleren Alters mit erfrischend direktem rheinischen Humor.

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