September 2022 | 1. – 30. September

Warum 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz jetzt notwendig sind und der Energiesektor verstaatlicht werden muss. Warum Wärmepumpen und Auerhühner die Klimawende bremsen. Dringend erforderlich: Solidarität mit den Iranerinnen. Außerdem: Wackelt Putin?

Inhaltsverzeichnis

Fridays for Future

Die gute Nachricht: Hundertausende Menschen, die vor wenigen Tagen weltweit auf die Straße gingen für mehr Klimaschutz. Allein in Deutschland protestierten Tausende in mehr als 300 Städten gegen die zu schwachen Maßnahmen gegen die Klimakrise.

Lange war es ruhig um die Klimabewegung. Zu ruhig. Wegen Corona und der Energiekrise mehrten sich gar Stimmen, die fragten, ob Aktionen für mehr Klimaschutz gegenwärtig überhaupt angemessen wären. Nach dem Motto, wir haben andere Probleme. Jetzt geht es erst einmal darum, im nächsten Winter nicht zu frieren. Falsch!

Alles hängt zusammen

Es war noch nie so wichtig, gerade jetzt für eine klimaneutrale und klimagerechte Zukunft auf die Straße zu gehen. Alles hängt zusammen. Die Kosten für Energie explodieren hierzulande, weil Putin kein Gas mehr aus Russland schickt.

Spätestens jetzt rächt sich, dass Deutschland zu lange auf billiges russisches Gas gesetzt hat und nicht mehr Tempo gemacht hat beim Ausbau erneuerbarer Energien. Energie- und Klimakrise bedingen sich gegenseitig. Auch das ist eine Zeitenwende, die Fridays for Future-Aktivisten richtig erkannt haben.

Milliarden für den Klimaschutz

Deswegen ist es richtig, dass die Klima-Aktivisten 100 Milliarden Euro Sondervermögen für den Klimaschutz fordern. Also die gleiche Summe, die der Staat für die Bundeswehr springen lässt. Im Grunde genommen kämpfen Klimaaktivisten und diejenigen, die angesichts der Energiekrise für soziale Gerechtigkeit auf die Straße gehen, für dieselbe Sache.

Bisher verlaufen ihre Proteste weitgehend getrennt. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Politik Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gegeneinander ausspielt. Aber wenn klarer und evidenter wird, dass Klimaschutz, Energiekrise und soziale Gerechtigkeit zusammenhängen, könnten sich beide Bewegungen zusammenschließen.

Eine vortreffliche Aufgabe und ein ideales Betätigungsfeld, das sich geradezu anbietet für die Linke. Aber leider ist die Partei mit sich selbst beschäftigt und gerade dabei, sich zu zerfleischen.

Trauerspiel Gasumlage

Die schlechte Nachricht: das Rumgeeiere mit der Gasumlage. Das Ganze ist so aberwitzig, dass man es für eine Posse oder für eine Komödie halten könnte. Aber es ist verdammt ernst und ein Trauerspiel, was die Ampelkoalition da bietet. Die geplante Gasumlage vom früheren Politik-Liebling Habeck war von Anfang an war Murks, handwerklich schlecht gemacht und obendrein noch miserabel kommuniziert. Ein Lehrstück für schlecht gemachten Staats-Kapitalismus.

Weichei Habeck

Großkonzerne wie Uniper haben sich verzockt bei der Abhängigkeit von russischen Gas. Ihnen droht die Pleite. Dass Unternehmen Konkurs machen, ist eigentlich ganz normal in einer Marktwirtschaft. Aber in Krisenzeiten wie bei der Finanzkrise oder jetzt bei der Energieversorgungskrise, rufen sie plötzlich nach dem Staat. Der reagiert.

Aus Sorge um den Zusammenbruch des Strommarkts gewährt die Regierung dem größten Gaslieferant Uniper zunächst einen Milliardenkredit. Und ausgerechnet der sonst so verbraucherfreundliche Wirtschaftsminister Habeck kommt auf die absurde Idee, alle Gasverbraucher zur Kasse zu bitten, um die Konzerne zu retten.

Es ist offensichtlich, was dahintersteckt: Der grüne Habeck will den Staatshaushalt nicht allzu sehr belasten und seinen Duz-Freund, FDP-Finanzminister Lindner, nicht verärgern. Was für ein Weichei ist nur aus dem einst so mutigen und eloquenten Habeck geworden?

 

Alle müssen bluten

Wieso sollen ausgerechnet die Gasverbraucher einen Energiekonzern retten? Was können die Verbraucher dafür, dass sich Gaskonzerne in die unheilvolle Abhängigkeit von russischem Gas begeben haben? Klar, dass der Unmut darüber groß ist.

Dann stellt sich raus, dass von der Gasumlage auch Unternehmen profitieren könnten, die gar nicht in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Da schwillt dem Volk der Kamm, es lädt seinen Frust in den sozialen Netzwerken ab. Habeck, der das Umlage-Desaster zu verantworten hat, stürzt in der Beliebtheitsskala ab.

Zu Recht finde ich. Man kann nicht einen Teil der Bevölkerung, also die Gaskunden, die Suppe auslöffeln lassen, die andere verbockt haben. Wenn schon, denn schon müssen alle die anfallenden Milliardenkosten der Energie-Versorgungkrise tragen: der Staat, die Bürger, die Wirtschaft.

 

Die Tücke mit der Brücke

Unternehmensrettung mit unseren Steuern: Genau das geschieht jetzt. Um eine totale Insolvenz von Uniper zu verhindern, hat die Regierung den Gaslieferanten Uniper jetzt verstaatlicht. Für insgesamt 30 Milliarden Steuermilliarden. Ein sicherlich notweniger Schritt, um die Gasversorgung von Stadtwerken, Unternehmen und Privathaushalten zu sichern.

Und schon steht die zweite Verstaatlichung ins Haus, bei der Leipziger VNG, dem zweitgrößten Gaslieferanten in Deutschland. Wer jetzt denkt, damit sei die ungeliebte Gasumlage vom Tisch, der irrt. Selbst Habeck bekennt, dass er Bauchschmerzen bei der von ihm erfundenen Gasumlage empfindet.

Sie muss eigentlich weg, aber sie soll tatsächlich kommen: ab 1.Oktober. Immerhin nur als Brücke, bis die Verstaatlichung von Uniper unter Dach und Fach sei, so Habeck. Ein Trost für die Gasverbaucher? Mitnichten!

Hü und hott

Eine Umlage, die man eigentlich falsch findet, erst mal einzuführen, um sie nach drei Monaten wieder abzuschaffen: Dieses Hü und hott ist doch Schwachsinn und stiftet nichts als Verwirrung und Frust. So werden die Bürger zweimal zur Kasse gebeten. Einmal als Steuerzahler für die Verstaatlichung von Uniper und noch einmal über die Umlage für die Rettung des Unternehmens. Dabei bedrohen die hohen Gaspreise schon jetzt private und wirtschaftliche Existenzen. Da muss dringend ein Preisdeckel her, wie ihn Frankreich beispielsweise eingeführt hat.

 

Energiekonzerne verstaatlichen!

Die Energiekrise, so schlimm sie auch ist, macht vor allem das folgende Verhängnis deutlich: Sie zeigt augenfällig, welche dramatischen und unverantwortlichen Folgen es hat, wenn der Staat die Energie-Grundversorgung den Prinzipien der Marktwirtschaft überlässt. Das betrifft nicht nur den exorbitanten Preisanstieg der Gaspreise, sondern auch die Tatsache, dass der Ausbau regenerativer Energien verschleppt, bzw. verhindert wurde, weil zu lange auf fossile Energie gesetzt wurde.

Lebensnotwendige Bereiche der Infrastruktur wie Wasser, Gas und Strom gehören eben nicht ins Portfolio von Privatkonzernen, sondern in die öffentliche Hand. Sie müssen verstaatlicht werden, auch wenn zwanghaft marktliberale Minister wie Christian Lindner jetzt Zeter und Mordio schreien.

Hoffnung Wärmepumpe

Erneuerbare Energie 1.: Mit Wärmepumpen weg von Putins Gas – so könnte ein Spruch des grünen Wirtschaftminister Habecks lauten. Als Alternative zu Öl und Gasheizungen spielen Wärmepumpen eine wichtige Rolle. Sechs Millionen Wärmepumpen sollen bis 2030 eingebaut sein, so das Ziel Habecks.

Doch das Ziel dürfte schwerlich zu erreichen sein. Engpässe bei der Lieferung, Facharbeitermangel. Sage und schreibe neun Monate Wartezeit. Die Nachfrage ist enorm. Die Heizungsinstallateure können sich vor Aufträgen kaum retten. Sie schieben Sonderschichten.

 

Veraltete Lehrpläne

Aber es gibt ein gewaltiges Problem: die fehlenden Kenntnisse der Auszubildenden über Wärmepumpen. „Die Jungs, die von der Berufsschule kommen, haben keine Ahnung von Wärmepumpen“, klagt etwa Heizungsinstallateur Markus Rausch aus Sulzbach. Wie kann das sein?

Der Grund: veraltete Lehrpläne an den Berufsschulen, die vorwiegend Öl- und Gasheizungen basieren. So beläuft sich das Thema Wärmepumpe in einem Lehrbuch von 1000 Seiten auf gerade mal 10 Seiten. Und: „In den dreieinhalb Jahren Ausbildung haben wir die Wärmepumpe in acht Stunden abgehandelt“, sagt Azubi Dominik. Viel zu wenig

Bremsende Ministerien

Wärmepumpen sind unverzichtbar, um die Klimaziele zu erreichen. Für die Installation sind viele geschulte Handwerker nötig, die den Einbau aus dem FF beherrschen. Dafür müssten Lehrpläne und Lehrbücher auf Vordermann gebracht werden. Aber daran hapert es.

Laut einer ZDF-Recherche hält es das Bundesinstitut für Berufsbildung nicht für nötig, die Ausbildungsordnung zu ändern. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie das Wirtschaftsministerium sehen dafür ebenfalls keinen Anlass. Merkwürdig, wie wenig die Behörden über die Praxis im Berufsalltag in dieser so wichtigen Branche wissen. So wird das nichts mit der Klimawende.

Knüppel zwischen den Beinen

Erneuerbare Energie 2.: Ein anderes Beispiel dafür, wie der Ausbau regenativer Energien stockt, kommt ausgerechnet aus dem grünen Baden Württemberg, dem selbsternannten Musterländle für alternative Energien. Der grüne Ministerpräsident hat versprochen, 1000 neue Windräder bis zur nächsten Landtagswahl 2026 bauen zu lassen.

Ein ehrgeiziger Plan, wenn man sieht, dass im vergangenen Jahr gerade Mal 21 Windräder gebaut wurden. In diesem Jahr soll es mit Tempo vorangehen. Daraus wird aber nichts. Denn die Landesregierung bremst sich selber aus, wirft sich buchstäblich selber Knüppel zwischen die Beine

„Taskforce Auerhuhn“

Schuld daran ist der Naturschutz, genauer der Bericht der von der Landesregierung eingesetzten „Taskforce Auerhuhn“. Ergebnis: Zum Schutze des Vogels darf auf vielen Flächen im Südschwarzwald kein Windrad stehen. Die Zahl der jetzigen Tabuflächen hat sich vervierfacht. Ausgerechnet im Südschwarzwald, auf dessen Gipfel der Wind kräftig bläst.

Die Bürgermeister von sieben Gemeinden im Südschwarzwald verstehen die Welt nicht mehr. „Zehn Jahre Planung für Windräder sind nun für die Katz“, sagt Roland Tibi, Bürgermeister von Elzach. Gemeinsam mit sechs weiteren Gemeinde-Bürgermeistern hat er jetzt einen Protestbrief an Kretschmann geschrieben.

Windräder statt Waschlappen

Doch es sieht nicht gut aus. Die Landesregierung steht hinter dem Ergebnis ihrer „Taskforce Auerhuhn.“ Das Umweltministerium verweist darauf, dass die ins Auge gefasste Flächen unter einem höheren Schutz stünden, da es sich um europäische und Bundes-Vogelschutzflächen handele. Da habe man keinen Handhabung einzugreifen.

Also keine Chance für neue Windräder? Selbst für ältere Windräder scheint das Aus besiegelt. Ein Windrad in der Nähe von Elzach, das erneuert und verbessern sollte, droht die Stilllegung. Vielleicht sollte Kretschmann die Entscheidungen seiner Verwaltung intensiver prüfen, statt Waschlappen-Tipps zum Energiesparen zu geben.

Frauen contra Mullahs

Bilder, die Hoffnung machen und gleichzeitig schockieren, kommen aus dem Iran: Frauen, die ihr Kopftuch verbrennen, ihre Haare abschneiden. Tausende Menschen, die gegen die Kleidervorschriften der Mullahs auf die Straße gehen und dabei Bilder des Religionsführers Chamenei verbrennen.

Auf der anderen Seite das brutale Vorgehen der iranischen Polizei: Tränengas, Schläge, Schüsse in die Menge. Etwa 50 Menschen wurden Opfer der Polizeigewalt. Wahnsinn. Ich bewundere den ungeheuren Mut der Iranerinnen. Sie kämpfen nicht nur dagegen, dass sie ein Kopftuch tragen müssen, sondern für uneingeschränkten Respekt und Selbstbestimmung.

Instrument der Unterdrückung

Es geht niemand etwas an, ob frau ein Kopftuch tragen will oder nicht. Keinen Mann und erst recht nicht einen Staat. Eine Frau sollte das Recht haben, sich zu kleiden, wie sie es will. Doch in einem Staat wie dem Iran, in dem erzkonservative Mullahs das Sagen haben, werden die Rechte der Frauen mit Füßen getreten.

Frauen haben dort keine Wahl, ein Kopftuch zu tragen oder nicht. Sie müssen es tragen. Es ist ein Instrument widerlicher Unterdrückung und Entmündigung. Die Frauen, die jetzt ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn sie ihr Kopftuch abziehen, haben unsere volle Solidarität und Unterstützung verdient.

Sanktionen gegen den Iran!

Aber wie soll die Unterstützung konkret aussehen? Sicherlich sind Äußerungen wie die von Außenministerin Baerbock hilfreich, die das gewaltsame Vorgehen der Polizei scharf verurteilt. Auch will sie diese Missachtung von Frauen und Menschenrechten vor den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bringen.

Aber das sind nur symbolische Signale. Wichtiger und effektvoller wären Sanktionen gegen den Iran, bzw. Handelseinschränkungen. Um den Iran zu einem echten Wandel bei den Frauenrechten zu bewegen.

Putin wackelt

Kaum zu glauben, aber wahr. Das russische Volk muckt auf. Das System Putin beginnt zu wackeln. Bisher nahm das russische Volk demütig und scheinbar regungslos hin, dass seine Armee einen Angriffskrieg im Nachbarland führt und Verbrechen an ukrainischen Zivilisten begeht. Jetzt ist alles anders. Niederlagen der als unbesiegbar gehaltenen eigenen Armee, Rückeroberung besetzter Gebiete durch die Ukraine.

Putin reagiert darauf mit Teilmobilmachung. 300 000 russische Reservisten sollen an die Front. Angst geht jetzt um in russischen Familien. Man will die eigenen Söhne lieber nicht zum Kanonenfutter für Putins Großmachtfantasien machen lassen.

Mut und Wut

So schlägt jetzt die stille Akzeptanz von Putins Krieg um in Mut und Wut. Tausende gehen auf die Straße, protestieren gegen Putins Krieg. Riskieren Schläge, Festnahme und Gefängnis. Andere sind weniger mutig, flüchten ins Ausland. Lieber verlassen sie die Heimat, als an die Front zu gehen.

Die Zwangs-Mobilisierung neuer Kräfte wird den Kriegsverlauf kurzfristig kaum entscheidend ändern. Es ist außerdem fraglich, ob die paar Mann mehr motivierter und effektiver sind als die bisher schlecht ausgerüstete russische Streitmacht. Es scheint, dass die Teilmobilisierung nichts anders ist als eine Verzweiflungstat Putins.

Eine Entscheidung, um das Gesicht zu wahren und möglicherweise doch noch einen Teil der angekündigten Kriegsziele zu erreichen. Dazu dient auch das angeordnete Referendum der besetzten Gebiete in der Ukraine. Eine Scheinabstimmung mit dem Ziel, die Gebiete zu annektieren.

Strategiewechsel!

Der Mann im Kreml bleibt unberechenbar, wie seine unverhüllte Drohung zeigt, Atomwaffen als ultima ratio einzusetzen. Dennoch halte ich die offenkundige Schwäche der russischen Armee für einen guten Zeitpunkt für einen Strategiewechsel.

Ziel muss sein, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Zum einen sollte der Westen weiterhin die Ukraine mit Waffen zur Verteidigung zu unterstützen. Nur eines darf nicht passieren: Alleingänge Deutschlands, so sehr es sich die Ukraine wünscht und Grüne, FDP und CDU es fordern.

Gleichzeitig müssen jetzt massive Bemühungen um eine diplomatische Lösung erfolgen. Entsprechend der NATO-Doppelstrategie aus den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die bekanntlich Erfolg hatte und zum Ende des kalten Krieges führte.