September 2023 | 1. – 14. September

Staatshaushalt: Warum Lindner die schwäbische Hausfrau gibt. Deutschlands kränkelnde Wirtschaft: Warum die Abwanderungs-Drohungen Erpressungen sind. Außerdem: Frankreichs zwielichtige Rolle in West-Afrika. Und: Malreise in die Provence


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Inhaltsverzeichnis

Basketball-Triumph

Wenigstens eine gute Nachricht in diesen düsteren Zeiten. Die deutsche Basketball-National Mannschaft ist derzeit das beste Team der Welt! Sensationell! In einem packenden Finale in Manila holen sich die deutschen Riesen den Weltmeister-Titel. Der größte Triumph bisher im Basketball, einer eher stiefmütterlich behandelten Sportart in den deutschen Medien. Kein Wunder, dass die leb-und ratlosen Rumpelkicker der Fußball-Nationalmannschaft staunend auf diesen Erfolg blicken.

Heizungsgesetz

Vielleicht auch ist es eine gute Nachricht, dass das Heizungsgesetz jetzt im Bundestag durch ist. Diesmal glatt, ohne dass die FDP nochmals den Koalitionspartnern ein Bein gestellt hat. Lindner und Co haben sich auch nach Kräften bemüht, das Gesetz zu verwässern und zu stutzen.

Vom eigentlichen Ziel, das Heizen mit fossiler Energie zu stoppen beziehungsweise einzudämmen, ist nicht mehr viel übrig. Ein Gesetz mit vielen Ausnahmen und Übergangsfristen – und der FDP zuliebe mit einer zweifelhaften Option auf Wasserstoff. Ein zahnloser Tiger. Ein Gesetz, das wie kein anderes große Teile der Bevölkerung gegen die Ampelregierung aufgebracht hat und immer noch verunsichert.

CO₂-Preis steigt

Erinnern wir uns kurz an die schwierige Geburt: Habecks dilettantische Kommunikation, die nachgeschobene Sozial-Förderung, Zoff zwischen Grünen und FDP. Dann das engstirnige Vorhaben, das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause durch den Bundestag bringen zu wollen. Notbremse Bundesverfassungsgericht. Egal. Alles Schnee von gestern.

Wenn Deutschland 2045 klimaneutral sein will, dann braucht es jetzt dieses Gesetz, so verwässert und wenig zielführend es auch ist. Immerhin, die Weichen in Richtung Wärmewende sind gestellt. Zwar wird es dank des Freiheitsfetischismus der FDP noch einige Zeit möglich sein, Gas- und Ölheizungen in Altbauten einzubauen.

Aber wer das tut, hat selber Schuld. Denn es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass der CO₂-Preis in Zukunft steigen wird. Mit Gas und Öl zu heizen wird immer teurer werden. Diese bittere Wahrheit der Bevölkerung beizubringen hätte längst Aufgabe und Pflicht der Ampel sein sollen. Nicht mit dem Holzhammer, sondern ehrlich und ungeschminkt und verständnisvoll. Noch ist es nicht zu spät, Versaubeltes wieder gut zu machen, Herr Habeck!

Schlauer als Merz

Und die Opposition? Sie schäumt und zetert. Vielflieger und CDU-Vorsitzender Merz zeigt einmal mehr, dass er ein Mann von gestern ist. Er verspricht tatsächlich, das Gesetz wieder abzuschaffen, falls er 2025 die Bundestagswahl mit seiner CDU gewinnt.

Das ist Bauernfängerei. Der Mann spekuliert darauf, dass viele Menschen auf seine Hetz-Kritik hereinfallen und daraus den falschen Schluss ziehen, dass ein Umbau der Heizung gar nicht nötig ist.

So blöd sind die Menschen aber nicht. Die Mehrheit hat inzwischen kapiert, dass es notwendig ist, möglichst schnell auf die alte Gas- oder Ölheizung zu verzichten und auf klimafreundliche Wärme umzusteigen.

Schrumpfende Wirtschaft

Deutschland scheint erneut der kranke Mann Europas zu sein. Überall Unkenrufe. Konzernbosse, Wirtschaftsinstitute und Politiker schlagen Alarm. Die deutsche Wirtschaft schrumpft immer mehr. In allen Branchen stehen die Zeichen auf Flaute.

Warum krankt die deutsche Wirtschaft und ist das tatsächlich so? Klar, man könnte sagen, die vielen Krisen und ihre Nachwirkungen sind Schuld an der schwachen Konjunktur  – etwa Pandemie, Ukraine-Krieg, Zinspolitik, hohe Energiepreise und nachlassende Nachfrage auf den Weltmärkten. Es ist aber zu einfach, die Schuld für die Rezession allein auf die plötzliche Anhäufung der Krisen zu schieben.

Strukturelle Probleme

Unsere Probleme sind tiefergehend und haben strukturelle Probleme. Da ist einmal die Exportlastigkeit unserer Wirtschaft. Das hängt mit der bisherigen Stärke der deutschen Industrie zusammen. In keinem vergleichbaren Land haben Industrie und ihre Exporte einen so großen Anteil an der Wirtschaftsleistung wie bei uns.

Diese Stärke wird jetzt zur Schwäche. Es wird weniger produziert, weniger exportiert. Die Konzernbosse fürchten um ihre Gewinne, schimpfen auf die hohen Energiepreise, fordern lautstark einen staatlich subventionierten Strompreis. Manche drohen gar mit Abwanderung in Länder, wo Energie billiger zu haben ist.

Als wären die Strompreise in energieintensiven Branchen mit teilweise sechs Cent pro Kilowattstunde nicht schon niedrig genug, wie etwa in der Stahl- und Zementindustrie. Davon können Verbraucher, die zwischen 20 und 30 Cent pro Kilowattstunde berappen müssen, nur träumen.

Erpressung

Andererseits mögen andere Länder in Europa wegen derzeit geringerer Energiepreise durchaus verlockend sein. Aber auch dort werden die Energiepreise steigen. Sei es wegen der steigenden CO₂-Preise für die zweifelhafte Nutzung von fossiler Energie oder für die enormen Investitionen für erneuerbare Energie. Die Drohung mit Abwanderung zeugt einmal mehr von der Kurzsichtigkeit kapitalistisch denkender Unternehmen, denen es um hohe Gewinnmargen geht.

Die Drohung mit Abwanderung ist doch nichts anderes als Erpressung, um Druck auf die Politik zu machen und mehr für das eigene Unternehmen rauszuholen. Ein weitsichtig und rational denkender Konzernboss würde gründlicher über eine Standortverlagerung nachdenken.

Standort-Qualität

Der Standort Deutschland hat trotz aller Widrigkeiten seine Qualitäten. Erstens: Die Lage im Mittelpunkt mit der EU als weltgrößtem Binnenmarkt. Keine Zollgrenzen, einheitliche Währung, rechtlich verbindliche Standards, Freizügigkeit für Menschen und Kapital.

Was insbesondere für Deutschland spricht: ein derzeit noch hoher Ausbildungsstand der Fachkräfte. Obwohl deren Anzahl immer mehr schwindet. Das trifft jedoch auf viele andere Industrieländer gleichermaßen zu. Was zwingend zu einem internationalen Wettlauf um Fachkräfte führt, an dem sich Deutschland mittlerweile auch beteiligt, wenn auch verspätet.

Dann die durchaus gut ausbaute Infrastruktur, trotz aller Mängel bei maroden Brücken und schleppendem Glasfaseranschluss. Für Deutschland spricht nicht zuletzt die politische Stabilität, trotz der wachsenden Popularität der rechtsextremen AFD. Mit der zunehmenden Rechtslastigkeit von Politik und Gesellschaft haben indes auch andere Länder in Europa zu kämpfen, siehe Frankreich und Italien.

Digitalisierungs-Wüste

Genug des Lobes. Zurück zu den offensichtlichen Mängeln und strukturellen Problemen: zu wenige, zu niedrige und zu verspätete Investitionen in Informationstechnologie. Deutschland, die Digitalisierungs-Wüste.

Überbordende Bürokratie: lange Planungsverfahren und komplizierte Ausschreibungspflichten, unsinnige Regulierungspflichten und Bauvorschriften. Deutschland, das Bürokratiemonster.

Hinzu kommt die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, nicht zuletzt geschürt von der Springerpresse und erzkonservativen Politikern wie Merz, Söder und Aiwanger. Das abfällige Gerede von Wirtschaftsflüchtlingen und der Migration als Mutter aller Probleme trägt verstärkt dazu bei, dass Einwanderer und Asylbewerber von vielen Menschen als Bedrohung wahrgenommen werden. Als Bedrohung für den eigenen Wohlstand – und nicht als Bereicherung für Kultur, Wirtschaft und Staat

Schuldenbremse

 

Die konträren Vorstellungen der drei regierenden Parteien über die künftige wirtschaftliche Entwicklung helfen nicht gerade, die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu befreien. Zu unterschiedlich sind Ideologien und Vorstellungen.

Da gibt’s keine gemeinsame fortschrittliche Politik mehr. Weder bei der Klimapolitik noch bei der Wirtschaftspolitik, geschweige denn bei der Sozialpolitik. Jeder der drei Parteien ist darauf aus, auf Kosten der anderen noch einen Punktgewinn zu machen.

Beispiel der Haushalt: Das Ergebnis ist ein Etat, bei dem an Hunderten Stellen wild der Rotstift regiert. Lindner und die FDP sind die Männer, die auf die Schuldenbremse starren und auf ihr beharren.

Schwäbische Hausfrau

Millionen Menschen werden vor den Kopf gestoßen, vor allem der Sozialbereich muss bluten. Kürzungen um 25 Prozent sind vorgesehen. Stattdessen schmeißt Lindner erneut 67 Milliarden für klimaschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen zum Fenster raus. Murks!

Geld müsse man erst erwirtschaften, bevor man es ausgeben darf. Das gelte auch für den Haushalt, sagt Lindner. Seine irrationale Argumentation folgt eher dem Prinzip der schwäbischen Hausfrau als von Weitsicht.

Wem man das so macht, würde niemand mehr ein Haus bauen, Unternehmer nicht mehr investieren. Das kann niemand wollen. Es geht um Deutschlands Zukunft, darum, das Land klimagerecht umzubauen!

Wo gibt es noch Geld?

Dafür müssen jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden. Das geht nur mit Investitionen in Digitalisierung und Infrastruktur. Woher das Geld dafür nehmen? Die Einnahmeseite des Staates sieht mau aus.

Lindner hat Steuererhöhungen für Besserverdienende kategorisch ausgeschlossen und im Koalitionsvertrag weitgehend durchgesetzt. Und dank FDP wird es auch keine Abschöpfung riesiger Vermögen und Gewinne aus der Energie und Lebensmittelbranche geben. Leider.

Aber es sieht doch auch ein Blinder: miese Wirtschaftslage, marode Brücken und Schienen, Schulen ohne Lehrer, Kitas ohne Erzieher, Kinderarmut, Kommunen ohne Geld. Da muss Lindner verdammt nochmal über seinen ideologisch verbrämten Schatten springen und kreditfinanzierte Schulden zulassen.

Putsch in Gabun

Mali, Burkina Faso, Niger und jetzt Gabun. Ein Putsch nach dem anderen. Wie Dominosteine stürzen die Regierungen im französischsprachigen Teil Afrikas. Die dort von Frankreich errichtete nachkoloniale Ordnung zerschellt in einem atemberaubenden Tempo. 

Was ist da los? Zum Beispiel Gabun: Das kleine Land am Äquator ist soziologisch anders strukturiert als die Staaten in der Sahelzone. Kein übergriffiges Militär wie etwa in Niger,  auch keine Putschtradition und nicht so arm. Jedoch eine raffgierige Clique an der Macht, Die Bonga-Familie beutete jahrzehntelang die Bevölkerung aus. Jetzt hat das Militär geputscht und die Macht übernommen.

Die Bevölkerung feiert den Staatsstreich als Befreiung. Paris schaut weg. Gemeinsam mit Berlin und Washington. Noch. Denn insbesondere Frankreich fürchtet um die Rohstoffe von dort. Um Öl und Mangan aus Gabun.

Korruption

Paris und andere EU Lände wie Deutschland geben jetzt vor, dass sie die Demokratien dort schützen wollen. Demokratien, die in Wahrheit nie welche waren, sondern nur Fassaden. Mitsprache oder Perspektiven Fehlanzeige. Stattdessen Misswirtschaft und Korruption.

Kein Wunder, dass die ausgebeutete Bevölkerung die Nase voll hat von den alten post-kolonialen Eliten und um Mitsprache, Selbstbestimmung und Perspektiven kämpft. Das kann jedoch leicht zur gefährlichen Gemengelage führen wie im Niger. Das Land ist mit Sanktionen belegt.

Die Militär-Junta hat die Grenzen geschlossen. Die Sanktionen westafrikanischer Staaten macht die wirtschaftliche Situation in dem Land immer schwieriger. Lebensmittel gibt es kaum noch. Die Preise steigen. Noch hält die Bevölkerung den Mangel standhaft aus,

Die unberechenbare Lage kann jedoch leicht dazu führen, dass viele Menschen von dort versuchen nach Europa zu fliehen. Da sind schnelle und tragfähige Lösungen von der EU gefragt. Etwa Hilfe vor Ort, ohne den Eindruck zu erwecken sich einzumischen oder zu bevormunden. Schwierig, aber machbar.

Malreise

Rückblick auf zwei Malkurse, die ich im August gemacht habe. Beide in der Provence. Meine erste Unterkunft liegt in völliger Einsamkeit in einer Gîte in der Haute-Provence, 20 Kilometer von Forcalquier entfernt. Das ist eine wenig bekannte Kleinstadt zwischen dem Luberon im Süden und dem Lure-Gebirge im Norden. Sengende Sonne. Jeden Tag über 30 Grad. Und das, obwohl der Kursort 700 Meter hoch liegt.

Anreise per Bus von Avignon. Die einzig nennenswerte Stadt ist APT. Bis heute weiß ich nicht, warum der Name der Stadt in Großbuchstaben geschrieben wird. Die mittelalterliche Stadt mit ihren engen Gassen wirkt sehr touristisch. Viele Boutiquen und Souvenirgeschäfte.

 

APT und Forcalquier

Es ist Markttag in APT. Ein flüchtiger Blick genügt. Mehr als 300 Stände stehen dicht an dicht. Lebensmittel und Spezialitäten aus der Region wie kandierte Früchte, Ziegenkäse. Daneben die üblichen Verkaufsstände mit Jeans, T-Shirts, Schuhen. Menschenmassen drängen sich durch den Markt und die Gassen.

Hinter APT wird die Strecke allmählich alpin. Langsam ansteigende Serpentinen, links und rechts Felder, Steineichenwälder. Streckenweise säumen Pappeln die äußerst schmale Straße. Endstation in Forcalquier. Weithin sichtbar die Zitadelle mit der Kapelle Notre Dame de Provence, die auf einem Kalkhügel thront.

Patrick Fouilhoux, der Kursleiter, holt mich mit dem Auto vom Bus-Parkplatz ab. Der ist unmittelbar in der Nähe des Place de Bourget, Zentrum der Kleinstadt. Dort sind zwei Sehenswürdigkeiten zu bewundern, die Kathedrale Notre Dame du Bourguet sowie der Brunnen Saint Michel.

Wer auf Düfte und Parfüms steht, kommt in Forcalquier durchaus auf seine Kosten. Es gibt eine Reihe von Parfümerien, in denen einzelne Essenzen und fertige Parfüms probiert und natürlich gekauft werden können. Weitere lokale Spezialitäten des mittelalterlichen Städtchens: Aperitifs und Liköre, etwa Walnusswein, Rinquinquin und Orangenwein.

Deutsche Aussteiger

Mit mir im Bus sind zwei weitere Kurs-Teilnehmerinnen angekommen. Eine von ihnen, ganz Pariser Dame, hat merkwürdigerweise ihr Kätzchen dabei, in einem schmucken Mini-Korb. Die Fahrt zur Gîte, unserer Unterkunft, dauert 20 Minuten. Vorbei an sonnenverbrannten Feldern, durch grüne Steineichenwälder und durch die superschmalen Gassen des Weilers Pierrerue.

Die Gîte gehört zu einem größeren ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen. Kursleiter Patrick erzählt, dass es deutsche Aussteiger waren, die vor einer Generation das Gut gekauft und renoviert haben. Es entstand eine Kommune, die ökologischen Landbau betrieb.

Von der Landwirtschaft ist außer dem Gemüsegärtchen zur Selbstversorgung nichts mehr übrig. Heute werden die drei beigen Steinhäuser an Gruppen wie die unsere oder an Tagungsgäste und Wanderer vermietet.

Kein Wlan

Das Gut liegt inmitten unberührter Natur, fernab jeglicher Zivilisation auf einem Sattel der kalkigen Berge. Weit und breit hört man außer dem Zirpen der Grillen keinen Laut. Ab und zu das Tuckern eines Traktors in weiter Ferne. Internet per Wlan: Fehlanzeige.

Der Blick ringsherum ist fantastisch. Ideal für Menschen, die meditieren wollen oder absolute Ruhe suchen. Wer allerdings Komfort erwartet, der täuscht sich gewaltig. Die Zimmer schlicht und einfach wie in einer Jugendherberge. Immerhin zwei Einzelbetten statt Stockbetten.

Jedoch sind die extrem schmalen Betten sehr stark in die Jahre gekommen, wie überhaupt die ganze Anlage. Die Matratzen weich wie Pudding, dass man Angst hat bei spontanen Bewegungen aus dem Bett zu fallen. Gemeinschaftsbad und Klo auf dem Flur.

Lauschiges Lurs

Askese und Natur statt Luxus und Kultur. Immerhin Vollpension. Das Essen: durchaus schmackhaft und reichhaltig. Ausgenommen das typisch magere französische frühstück. Baguette, Butter, Konfitüre. Ich habe Glück. Kursleiter Patrick hat mit mir Erbarmen, kauft mir Schinken zum Frühstück. Sowie für Rosé- und Rotwein für alle, in 3-Liter Kanistern. Dafür fährt er zwölf Kilometer zum einzigen Intermarché in der Gegend. Der Malkurs geht über sechs Tage. Sechs lange und heiße Tage. Verdammt heiße Tage.

Man muss Patrick hoch anrechnen, dass er es schafft, jeden Tag ein anderes Dorf oder eine andere Landschaft auszusuchen, wo es Schatten gibt. Beispielsweise auf dem lauschigen Dorfplatz in Lurs oder entlang der Mauer der Zitadelle im verträumten Bergdorf Mane. Immerhin gelingt es mir, acht beachtliche semiabstakte Aquarelle zu zaubern, die auch den Gefallen des Meisters finden.

St. Jean-de-Valerisque

Zweiter Teil Meiner Provencereise. Malkurs bei Rudi Peters im mittelalterlichen Cevennen-Dörfchen St- Jean-de-Valerisque, wo der frühere Architekt seit nunmehr zwölf Jahren wohnt. Ich habe für die Kurswoche ein Appartement in der zehn Kilometer entfernten Kleinstadt Saint Ambroix gemietet. Es liegt idyllisch auf einem der bewaldeten Hänge, die die Kleinstadt umgeben. Imposanter Blick auf die Dachlandschaft der Stadt, in deren Mitte sich auf einem Kalkstein-Fels die Festungsruine mit der Kapelle du Dugas erhebt. 

Der Haken an der idyllischen Lage: Es geht steil bergauf. Für mich kaum zu bewältigen, da ich immer noch Probleme beim Laufen habe. Nachwirkungen der Operationen an der Lendenwirbelsäule. Dankenswerterweise holt mich Kursleiter Rudi jeden Morgen mit dem Auto ab und bringt mich nach Kursende wieder her.

Saint Ambroix

Anreise nach Saint Ambroix wieder per Bus. Übrigens Bus. Unglaublich, wie gering die Fahrpreise bei einer Busfahrt über Land in Frankreich sind. Zwei Euro von Avignon nach Forcalquier, wo ich vorher war. Oder von Avignon nach Alès bei Saint Ambroix. Beides je knapp 100 voneinander entfernt. Ein unschlagbarer Fahrpreis. Selbstverständlich subventioniert vom Staat. 

Eine Subvention, gegen die sich Volker Wissing, der deutsche Verkehrsminister, mit Klauen und Zähnen wehren würde. Kleines Problem: Ein solcher Bus verkehrt in Frankreich nur viermal am Tag. Ist sicherlich nicht anders ökonomisch zu machen. Trotzdem Vorbildlich.

So geht erschwinglicher ÖPNV auf dem Lande! Verwunderlich und wenig klimafreundlich jedoch, dass die Überlandbusse in Frankreich kaum genutzt werden. Nur fünf Fahrgäste pro Bus. Das Auto scheint auch des Franzosen liebstes Kind zu sein. Wie bei uns.

 

Baden in der Cèze

Rudi Peters ist übrigens der Künstler, bei dem ich vor vier Jahren meine ersten Gehversuche in Sachen Malerei gemacht habe. Freudiges Wiedersehen. Was das Malen betrifft, gibt es leider anfangs leichte Dissonanzen. Rudi will, dass die Kursteilnehmer das Blatt erst mit schwarzer Acrylfarbe einfärben, dann eine Schicht Acryl über die andere legen. Vom Dunklen ins Helle. Das dauert und widerspricht meinem Anspruch, schnell zu arbeiten. 

Ein zweites Missverständnis über die gestalterische Umsetzung des Motivs. Ich bin mittlerweile eher abstrakt unterwegs, detailgetreue Wiedergabe widerstrebt meinem Kunstverständnis. Rudi und ich haben uns verständigt, dass ich in impressionistischer Malweise arbeite. Motiv unter anderem: eine Brücke über den Fluss Cèze. 

Der führt sogar in der Trockenzeit einen schmalen Streifen Wasser, ausreichend um ein erfrischendes Bad zu nehmen. Genauso verhält es sich bei der historischen Mühle Moulin du Roc Tombé. Auch ein tolles Motiv sowie Gelegenheit zum Baden. Die Cèze wird hier gestaut, so dass sich unterhalb der Staustufe ein exzellenter Badeplatz ausgebildet hat.

Wildromantische Cevennen

Nochmals Dank an Rudi, der es sich nicht nehmen lässt, mich an meinem Abreisetag mit dem Auto zum TGV-Bahnhof von Avignon zu kutschieren. In aller Frühe. Eine lauschige Fahrt über verkehrsfreie Nebenstraßen durch die wildromantischen Cevennen. Würdiger und friedvoller Abschluss der Malwoche.

Ein Kommentar

  • Was laberst du eigentlich, du Hobby-Ökonom!? Christian Lindner hat Recht, wenn er die Schuldenbremse einhalten will. Das größte Problem ist immer noch die hohe Inflation. Neue staatliche Investitionen würden die Inflation weiter in die Höhe treiben. Alle müssen angesichts hoher Inflation den Gürtel enger schnallen. Und der Staat muss mit gutem Vorbild vorangehen. Sparsamkeit und Genügsamkeit sind das Gebot der Stunde. Christian Lindner macht einen guten Job!

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