Politische Meinung: Warum Attacken und Ausfälligkeiten bescheuert und gefährlich sind – zwei Beispiele aus Baden-Württemberg. Cannabis: Warum Kiffen jetzt legal, jedoch kompliziert ist.
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Inhaltsverzeichnis
Rauer Ton
Überall ist der Ton rauer geworden. Nicht nur in der Politik, auch zwischenmenschlich geht es inzwischen hart und hässlich zur Sache. Man ist schnell auf 180. Es gibt offenbar keinen Respekt, keine angemessenen Umgangsformen mehr gegenüber Andersdenkenden.
Nur die eigene Meinung zählt, alles andere wird niedergemacht und übel beschimpft. Mir sind gleich zwei Ereignisse aufgefallen, in der die Regeln des Anstands verletzt werden. Der eine Fall ereignet sich in Freiburg, der andere in Lahr.
Baba Ganoush
In Freiburg wird ein syrischer Gastronom böse angegangen und aufs übelste beleidigt. Hintergrund ist eigentlich ein belangloser, alltäglicher Anlass. Eine Änderung auf der Speisekarte. Auf die setzt der Syrer das israelische Gericht Baba Ganoush. Das ist eine Auberginen-Creme, die auch in der arabischen Welt weit verbreitet ist.
Allerdings unter der Bezeichnung Mutabbal. Der syrische Gastronom ahnt nichts Böses, als er auf Instagram schreibt, dass er jetzt auch eine israelische Spezialität in seinem Restaurant anbietet.
Rassistisch
Kaum gepostet, geht der Shitstorm los. Beleidigungen und Drohungen am Telefon, Pro-Palästina-Aufkleber auf der Schaufensterscheibe seines Restaurants. Der abfälligste Vorwurf: Der Syrer unterstütze einen Genozid, weil er israelisches Essen anbietet. Geht’s noch?
Dass der grassierende Antisemitismus sich jetzt auch Speisekarten aufs Korn nimmt, ist Schwachsinn, ein gefährlicher Schwachsinn. Und es wird böse rassistisch, wenn dem Gastronom vorgeworfen wird, kein richtiger Syrer zu sein, weil er israelische Speisen anbietet. Da bin ich einer Meinung mit dem Kommentator der Badischen Zeitung.
Arzt gegen AfD
Der andere Fall kommt aus der rechtsextremen Ecke und schlägt in der südbadischen Stadt Lahr Wellen der Empörung. Anlass ist eine kurze Email eines Lahrer Arztes an den AFD Politiker Nüßner.
In der Mail bittet der Arzt den AFD-Mann, sich aufgrund politisch unterschiedlicher Ansichten einen anderen Arzt seine Vertrauens zu suchen. Nüßner will die Aufkündigung seiner Behandlung nicht auf sich sitzen lassen, macht den Fall öffentlich.
Schützenhilfe erhält der AFD Mann von der Bildzeitung und dem Entertainment-Sender RTL. Da wird Nüßner als politischer Opfer von Arzt-Willkür dargestellt und offen bezweifelt, ob ein Arzt das darf.
Gefundenes Fressen
Der Arzt darf das, weil Nüßner Privatpatient ist, und der Arzt deswegen entscheiden kann, wen er als Patient annimmt und wen nicht. Doch eleganter wäre es gewesen, wenn der Arzt seinem Patienten in einem persönlichen Gespräch erklärt hatte, warum er ihn nicht weiter behandeln möchte.
Die kurze Mail ist nicht die feine englische Art. Und ein gefundenes Fressen für die AFD, die daraus mal wieder politisches Kapital schlagen will. Mittlerweile rufen Menschen, die in der AFD sind oder mit ihr sympathisieren, bei Arztpraxen in Lahr an.
Telefonterror
Die AnruferInnen wollen herausfinden, wer der Arzt ist, der ihren AFD-Kumpanen nicht mehr behandeln will. Dabei vergreifen sich die AnruferInnen nicht nur im Ton, sie beschimpfen und beleidigen die Sprechstundenhilfen, da die wegen Datenschutz nichts sagen dürfen.
Manche AnruferInnen machen kein Hehl aus ihrer rechtsradikalen Gesinnung und drohen mit nationalsozialistischer Machtübernahme. Widerlich. Genauso wie die antisemitische Attacken auf das syrische Restaurant in Freiburg.
Das zeigt, wie abfällig und inhuman es mittlerweile in unserer Gesellschaft zugeht. Und dass Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen mittlerweile in der Auseinandersetzung mit vermeintlichen politischen Gegnern alltäglich sind. Eine integre Gesellschaft sieht anders aus.
Cannabis
Kiffen wird zum 1. April legal, jedoch legal kaufen kann man die Droge weiterhin nicht. Die sogenannte Teil-Legalisierung ist irgendwie typisch Ampel. Nichts Halbes und nichts Ganzes.
Die Zauberworte heißen Eigenanbau und Cannabis Social-Club. In solchen Anbauvereinigungen soll Gras gemeinschaftlich angepflanzt und zum Eigenkonsum an die Vereinsmitglieder abgegeben werden. Viel Bürokratie und viele Vorschriften könnten einem jedoch den Spaß am Kiffen verderben.
Schon die Geburt des Cannabis-Gesetzes war schwierig, es ist beinahe am Widerstand der ewig gestrigen CDU gescheitert. Ihr Chef Fritze Merz will sowieso alles rückgängig machen, falls er Kanzler wird.
Kriminalisierung
Dabei kann kaum bestritten werden, dass Cannabis längst in Deutschland angekommen ist. Selbst in der Mitte der Gesellschaft ist es kein Skandal mehr zuzugeben, mal einen Joint geraucht zu haben.
Es ist auch erwiesen, dass Grasrauchen wesentlich ungefährlicher ist als Alkohol trinken. Es sterben mehr Menschen an Alkohol in Deutschland als an Drogenkonsum. Ein Alkoholverbot hat indes in den vergangenen 100 Jahren niemand gefordert.
Verbotspolitik
Trotz der bürokratischen Hürden hat die Teil-Legalisierung etwas Gutes: Endlich hat die unwürdige Kriminalisierung und Strafverfolgung von Millionen Menschen in Deutschland, die gelegentlich kiffen, ein Ende. Endlich ist auch eine politische Mehrheit zur Einsicht gekommen, dass die alte Verbotspolitik der früheren Regierungen Mist war.
Deren Ergebnis: ein unkontrolliert ausufernder Schwarzmarkt und erhebliche gesundheitliche Risiken für die Kiffer. Schuld daran ist gestrecktes Cannabis, dem die Dealer oft gefährliche Substanzen wie Blei und flüssigen Kunststoff beimischen.
Sauberes Gras
Die Idee der Ampelregierung: verunreinigtes Schwarzmarkt-Gras mit kontrolliertem und legal angebautem sauberen Cannabis zu ersetzen. Das soll dem Gesundheitsschutz dienen und vor allem den Schwarzmarkt austrocknen. Allerdings darf bezweifelt werden, ob das mit dem neuen Gesetz vom 1 April an gelingt.
Kiffen ist dann zwar legal, aber es dauert ein paar Monate, bis der von da an erlaubte Hanfanbau reif ist für die Ernte. In der Zwischenzeit sind Kiffer auf den Schwarzmarkt angewiesen, wo die Dealer noch mal ordentlich Reibach machen können und das Risiko von verunreinigtem Stoff weiterhin besteht. Irgendwie kontraproduktiv.
Denn schon vom 1. April an dürfen Erwachsene draußen auf der Straße bis zu 25 Gramm Cannabis-Gras bei sich haben. Nicht schlecht, das reicht etwa für 70 bis 80 Joints! Zu Hause ist der Besitz bis zu 50 Gramm erlaubt sowie die Aufzucht von drei Hanf-Pflanzen. Ein paar Gramm mehr, und es drohen saftige Strafen!
Klub-Kultur
Die Frage ist, wer soll die Einhaltung von Besitz und Konsum kontrollieren? Die Polizei hat keinen Bock darauf, das ist nachvollziehbar. Ist Deutschland künftig auf dem Weg in eine Kiffer-Republik? Wohl eher nicht, denn es gibt genügend bürokratische Stolpersteine, die das fröhliche Kifferleben einschränken.
Wem das Hanfgärtnern auf Balkon oder Terrasse zu aufwendig ist, dem bleibt nur die Möglichkeit, einem der Anbauvereinigungen beizutreten, die ab 1.Juli erlaubt sind. Eine eher unkonventionelle Bereicherung der sonst so bürgerlichen deutschen Vereinskultur.
In diesen Cannabis Social-Clubs soll Gras gemeinschaftlich angebaut, darf aber nicht verkauft, sondern nur zum Eigenkonsum an Mitglieder abgeben werden. Finanzieren sollen sich die Vereinigungen durch ihre Mitgliedsbeiträge.
Sperrzonen
Selbstverständlich gibt es strenge Dokumentationspflichten und Vorchriften. Etwa die Sicherungspflicht des Anbaus durch hohe Zäune sowie das Verbot, Joints vor Ort im Club zu rauchen. Na denn viel Spaß!
Es scheint auch so, dass Kiffen auf dem Lande eher mehr Spaß machen wird als in der Stadt. Dort ist Cannabis-Konsum in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr verboten, natürlich auch strengstens verboten in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und Sportstätten.
Kiffer müssen mindestens 100 Meter Luftlinie zu den Eingangsbereichen dieser Einrichtungen einhalten, sonst drohen hohe Strafen. Die Polizisten, die den Abstand zu Kindergärten und Schulen dann wohl mit Maßband kontrollieren müssen, sind nicht zu beneiden.
Prävention
Auch wenn der Mythos von der Einstiegsdroge Cannabis längst widerlegt ist, birgt massives Kiffen das Risiko von körperlichen Schäden und psychische Erkrankungen, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Menschen, die dauerhaft und viel kiffen. Junge Gehirne reagieren besonders empfindlich auf Cannabis Inhaltsstoffe und können die Gehirnstruktur beeinflussen.
Daher ist es unbedingt notwendig, dass die von der Ampel versprochenen Präventionsprogramme für Jugendliche und die umfassende Aufklärung vor den Gefahren der Droge wirklich kommen und nicht dem Federstrich von Sparminister Lindner zum Opfer fallen.
Bürokratiemonster
Fazit: Die Entkriminalisierung des Kiffens war überfällig, und es ist gut und mutig von der Ampel, den Cannabiskonsum teilweise zu legalisieren. Gleichwohl droht das Gesetz zu einem Bürokratiemonster zu werden. Zu kleinteilig, zu kompliziert ist es und vor allem schwierig zu kontrollieren. Mehr Vorbereitungszeit wäre besser und sinnvoller gewesen.
3 Antworten
Wie kann man nur so blöd sein und die Cannabis-Legalisierung gut finden! Cannabis ist keine harmlose Droge. Sie wird auch dadurch nicht gesünder, dass man sie nicht mehr auf dem Schwarzmarkt kaufen kann. Cannabis ist und bleibt eine Einstiegsdroge und gehört verboten! Das ganze Gesetz ist genauso verkorkst wie das Heizungsgesetz und die gesamte Ampelregierung!
Ganz unabhängig davon, wie man zu den Auswärtstrikots vom #DFBTeam oder der #cannabislegalisierung steht: Allein schon wegen der Reaktionen von Union und anderen Konservativen hat es sich sehr gelohnt!
Danke für die Beiträge. Sehr interessant 🙂