Neue Partei: Was Wagenknecht und Lindner gemeinsam haben. Fußball: Warum der SC Freiburg ein leuchtendes Beispiel ist. Wirtschaft: Warum sich die Konzerne an der neuen IG Metall-Führung ein Beispiel nehmen sollten
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Sahra macht’s
Jetzt tut sie, was die Spatzen längst von den Dächern pfeifen: Sahra Wagenknecht gründet eine neue Partei. Defintiv im Januar 2024 geht sie den Start. Zur Vorbereitung dafür hat die Ex-Linke jetzt den Verein Bündnis für Sahra Wagenknecht präsentiert. Hauptsächlich natürlich, um Spenden für die neue Partei zu sammeln.
Ich weiß nicht so recht, was ich von der Frau halten soll. Irgendwie habe ich sie lange bewundert. Ihre Rhetorik, ihre Fähigkeit, komplizierte Zusammenhänge schlüssig zu erklären. Ihr unermüdliches Eintreten für soziale Gerechtigkeit. Und natürlich ihre Eleganz, ihre Coolness.
Immer quer
Aber dann kam Corona, und Wagenknecht entpuppte sich als starrköpfige Impfgegnerin und Querdenkerin. Oft schwurbelte sie herum wie der FDP-Kubicki. Schlimmer noch ihre Haltung zur Migrationsfrage und Zuwanderung. Da fischt sie schon lange in Gefilden der AFD, ist für radikale Begrenzung der Zuwanderung.
Wenngleich man ihr nicht vorwerfen darf, fremdenfeindlich oder gar rassistisch zu sein. Zu guter Letzt jedoch ihre unklare Haltung zu Putins Angriffskrieg, einerseits Kämpferin für sofortige Friedensverhandlungen, andererseits Putin-Versteherin. Damit sie bei mir endgültig unten durch.
Eitelkeit
Hinzu kommt ihr ermüdender Kampf innerhalb der Linken um die richtige Linie. Für mich auch Erinnerung an alte Zeiten, natürlich in viel bescheidenerem und unwichtigerem Rahmen in einer süddeutschen Großstadt. Trotzdem habe ich Sahras Eiertanz nie ganz verstanden. Verlässt sie die Linke, oder doch nicht?
Warum gelingt es ihr nicht, die schmalen ideologischen Gräben zu überwinden und mit dem Vorstand einen Kompromiss zu finden, damit die Partei nicht im Abgrund versinkt. Sie war und ist unbestreitbar die Gallionsfigur der Linken. Warum will sie die Partei nicht retten? Sondern kokettiert monatelang damit herum, eine eigene Partei zu gründen. Was ist das? Eitelkeit, Größenwahn?
Talkshow-Königin
Fakt ist, Sahras One Women-Show mit der Nummer „neue Partei“ ist eines der Lieblingsthemen der Medien. Und Sahra ist die TV-Talkshowkönigin. Besonders deshalb, weil Meinungsumfragen ihrer neuen Partei ein großes Wählerpotential prophezeien. Zahlen um 25 Prozent geistern durch die Medien.
Pikant dabei ist die Vermutung, dass sie wirklich schafft, was CDU-Merz und Konsorten vollmundig angekündigt und nie erreicht haben: die Stimmen für die AFD zu halbieren. Wie könnte Wagenknecht das schaffen? In dem sie den Menschen, die aus Wut und Protest bisher die AFD wählen, das Angebot macht, die neue Wagenknecht-Partei zu wählen.
Wagenknecht präsentiert sich in perfekter Werbemanier als seriöse Alternative zur AFD. Das Lockangebot: ein eigentümlicher politischer Cocktail. Eine Mischung halbwegs linker Sozialpolitik und gesellschaftspolitisch konservativen Themen.
Gewandelte Kommunistin
Höherer Mindestlohn, Tarifbindung der Unternehmen, Anhebung des Renteniveaus. Klassische sozialdemokratische Forderungen. Was ist eigentlich mit der Vermögenssteuer, der zentralen Forderung von Linkspartei und Sozialdemokraten? Verwunderlich, dass die ehemalige Oberlinke darüber gar nichts sagt.
Stattdessen will sie schnöde Steuergerechtigkeit. Wie soll das gehen? Angesichts der immer weiter auseinander klaffenden Vermögen und Einkommen kann es ohne Vermögenssteuer keine Steuergerechtigkeit geben. Stattdessen hört man von Wagenknecht Sätze wie den starken Mittelstand fördern und eine innovative Wirtschaft mit fairem Wettbewerb stärken.
Der liberale FDP-Finanzminister Lindner hätte es nicht schöner sagen können. Welch ein Wandel der ehemaligen Kommunistin Sahra Wagenknecht: von der streitbaren Sozialisten zur Apologetin der sozialen Markwirtschaft!
Gas aus Russland
Eins der wenigen sozialen Feigenblätter: Wagenknecht will die Industriearbeiterplätze retten. Aber doch bitte nicht so, wie es ihr offenbar vorschwebt: Mit billiger Energie, vor allem wieder aus – man glaubt es kaum- Russland. Was ist denn das für ein Schwachsinn? Alle Anstrengungen, sich von der Energie vom russischen Aggressor zu lösen für die Katz?
Das werden ihr potentielle Wähler übelnehmen, ausgenommen beinharte AFD-Fans. Trotzdem wird das lagerübergreifende Wählerklientel deutlich sichtbar, auf das Wagenknecht abzielt: Die promovierte Volkswirtin will es mit Niemanden im Voraus verderben, weder mit den Konzernen, dem Mittelstand, den Beschäftigen, den sozial Abgehängten und denen, die Abstiegsängste haben. Das Geschenk: Hoffnung für fast alle.
Dumpfe Gefühle
Das größte Pfund, mit der Wagenknecht der AFD die Wählerstimmen abjagen will, ist ihre Migrationspolitik. Zuwanderung begrenzen, Sach- statt Geldleistungen-, Überforderung der Kommunen, Benachteiligung ärmerer Deutscher. Wagenknechts Schlagworte sind nichts anderes als lupenreine Forderungen der AFD. Auch die SPD plappert sie nach den jüngsten Wahlschlappen nach.
Anders als AFD und große Teile von CDU/CSU und FDP will Sahra immerhin eines nicht abschaffen: das Recht auf politisches Asyl. Immerhin. Aber mit ihren anderen fast wortgleichen AFD-Forderungen greift sie weit verbreiteten dumpfen Gefühle in der Gesellschaft auf. Dennoch bleibt es wie so oft bei Sahra nur bei Forderungen und scharfer Verurteilung der Regierungspolitik.
Sie sagt nicht, was sie anders machen will. Verweist darauf, dass die Zuwanderung eine europäische Frage ist und seit befürwortet die härtere dänische Gangart, die auch in Deutschland möglich sei. Das ist zu wenig. Da bleibt die Gefahr, dass viele Menschen lieber das AFD-Original wählen.
Blanke Polemik
Was mich sehr nervt, ist Sahras Polemik gegen die Grünen. Mit ihrem Geschimpfe auf Öko-Aktivisten und Lifestyle-Linke trifft sie leider den Zahn der Zeit. Sie spricht aus, was viele Menschen derzeit denken und fühlen. Menschen, die Verlustängste und Bammel vor Veränderungen haben und die die Grünen für alles Negative verantwortlich machen.
Das ist blanke Polemik und eiskaltes Kalkül, bekommt sie doch dadurch mächtigen Beifall von der konservativen und rechten Wählerklientel, die sowieso mit den Grünen auf Kriegsfuß stehen. Aber die Grünen als gefährlichste Partei im Bundestag zu betiteln. Das geht zu weit.
Verharmlosung
Wer die Grünen als gefährlichste Partei betitelt, verharmlost die AFD und macht sie quasi salonfähig. Ich erwarte eine klare Abgrenzung zur AFD. Die Aussage, keine gemeinsame Sache mit der AFD zu machen reicht nicht. Trotz der vielfältigen Übereinstimmung mit den Zielen der AFD in der Migrationsfrage muss Wagenknechts neue Partei aufzeigen, dass die Politik der AFD rassistisch und demokratiefeindlich ist.
Ich bin nicht sicher, ob die Wagenknecht-Partei die prognostizierten 25 Prozent bei den Wahlen erreicht. Aber ich hoffe sehr, dass sie zumindest den Stimmenanteil der AFD gnadenlos zurecht stutzt.
Gelbe und rote Karten
Nach der Politik hier ein paar Zeilen zu kleinen positiven Entwicklungen, die helfen mehr Freude im Alltag zu empfinden. Ich meine die gelben und roten Karten, mit denen der Sportclub Freiburg das Rauchverbot auf den Sitzplätzen durchsetzen will. Wem hat nicht auch schon mal ein qualmender Sitznachbar im SC-Stadion die Laune verdorben?
Bei notorischen Rauchern stießen auch selbst nett formulierte Bitten, das Rauchen zu unterlassen, auf taube Ohren. Ich finde es gut, dass Personen, die das Rauchverbot missachten, ab sofort mit einer gelben Karte verwarnt werden können. Und bei wiederholen Verstößen sogar per roter Karte aus dem Stadion fliegen.
Das Rauchverbot gilt im gesamten Stadion. Eigentlich auf den Stehplätzen. Dort stehen die echten Fans dichtgedrängt. Viele können dort, aus welchen Gründen auch immer, nicht von der Kippe lassen. Dort lässt sich das Rauchverbot laut SC nicht kontrollieren und durchsetzen. Schade eigentlich.
Männer und IG Metall
Noch eine gute Nachricht. Erstmals – seit 132 Jahren – steht mit Christiane Brenner eine Frau an der Spitze der IG Metall. Ich finde diese Tatsache bemerkenswert. Ist sie doch ein Signal für den Kampf der Frauen für Gleichstellung. Das ist es eines der Ziele, wofür sich die 54-jährige Soziologin und Gewerkschafterin einsetzt. Sie hat es zwar jetzt geschafft.
Aber im Grunde genommen nur durch hartnäckigen Kampf gegen viele männliche Widersacher und Intrigen. Erst wollte man (n) lieber einen Mann an der Spitze der größten der größten deutschen Gewerkschaft sehen. Als es jedoch klar war, dass sie gewählt würde, wollte man (n) ihr einen Mann zur Seite stellen, in einer Art Doppelspitze. Als würde man (n) Christiane Brenner die alleinige Führungsposition nicht zu trauen.
Christiane Benner
Das ist jetzt Geschichte. Die taffe Cristiane Benner bekam 96,4 Prozent der Stimmen. Und das obwohl die Frauen nur 20 Prozent der 2,2 Millionen Mitglieder ausmachen. Neben dem Kampf für mehr Frauenrechte in den Betrieben stehen gewaltige Aufgaben für sie an, die Brenner mutig angehen will. Der Kampf für die vier Tage Woche, für einen Industriestrompreis, für die Produktions-Transformation vom Verbrenner zum E-Auto und nicht zuletzt für eine Vermögenssteuer. Ich wünsche sehr, dass Christiane Benner zumindest bei einer der Aufgaben erfolgreich ist.
2 Antworten
Ey du! Deine Sahra gehört doch selbst zum Establishment. Schau dir doch ihre protzige Villa im Saarland an, wo sie mit dem senilen Polit-Opa Lafontaine wohnt! Glaubst du wirklich, dass diese selbstverliebte Egomanin Politik für die kleinen Leute machen kann? Die soll lieber schleunigst ihr Bundestagsmandat zurückgeben und Platz machen für Nachrücker der Linken, die nahe bei den Menschen sind und echte Sozial- und Friedenspolitik machen.
Wenn Wagenknecht der AfD Stimmen abjagt, könnte es auch schlimm enden, wenn sie z.B. in Thüringen koalieren.
Eigentlich richtet sich ihre Partei ja an geringverdienende AfD-Wähler, die aber vom Populismus der AfD so begeistert sind, dass sie gar nicht merken, dass die AfD vom Programm her für Reiche ist.
Was passiert eigentlich mit der herkömmlichen Linkspartei?